Originaltitel: MR. KAPLAN

Uruguay/Spanien/D 2014, 98 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Héctor Noguera, Néstor Guzzini, Rolf Becker

Stab:
Regie: Álvaro Brechner
Drehbuch: Álvaro Brechner

Kinostart: 16.07.15

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Señor Kaplan

... hinterläßt Spuren im Kopf

Es scheint nötig, jetzt erst mal eine Erwartungshaltung zu korrigieren. Weil der Trailer zum vorliegenden Film den Zuschauer in die Irre leitet. Beileibe kein Einzelfall, hier aber schon ziemlich fatal, täuscht er doch ein reines Lustspiel vor, zudem – sagen wir’s ehrlich – ein recht rustikales. Allerdings könnte kaum etwas der Wahrheit ferner liegen. Später sei solche Sicht erklärt, zunächst eine kurze inhaltliche Zusammenfassung.

Und jene mag gleich folgendes Lob eröffnen: Es gibt schlechtere Wege, die Zuschauerneugier zu wecken, als ein aussagekräftiges Lied zur Vorspannuntermalung, im hiesigen wird die „SS in Uruguay“ besungen. Klingt bitter, ist es auch und eröffnet den Blick auf Jacob Kaplan, 76 Jahre alt, davon 50 mit Rebecca verheiratet, und jetzt zweifelnd: Was bleibt, wenn er stirbt? Hatte sein Leben wahren Sinn? Da kommt das Gerücht, an der Küste Uruguays sei ein Ex-Nazi untergetaucht, gerade recht. Jacob krallt sich den abgehalfterten ehemaligen Polizisten Wilson, um Gerechtigkeit zu üben, jenen Verbrecher nach Entführung an die Behörden zu übergeben. Aber natürlich geht dabei so ziemlich alles schief.

Was vielerlei Gelegenheiten bietet, auch lustig schimmernde Fasern einzuflechten, darunter sämtliche Trailer-Szenen. Nur eben nicht derart geballt und zum Mittelpunkt hochgekocht, sondern nebenbei, eher unauffällig, unterstützend. Tatsächlich funktioniert in dieser Tragikomödie das Drama weitaus besser, wirkt ungleich kompetenter inszeniert, punktet häufig durch von der Leinwand direkt ins Hirn schießende Sätze wie: „Es gibt keine unschuldige Routine.“ Oder tarnt sich als herzergreifende Betrachtung menschlicher Hürden, welche manche Figur irgendwie unfähig war zu überwinden – Wilson, der versoffene Kneipenspieler, rührt plötzlich an, wenn er alles versucht, seine zersplitterte Familie wieder zu kitten. Und Rebeccas Reaktion auf Jacobs nächtliche Frage, ob sie ihn liebe, könnte Tränen fließen lassen.

Dennoch ruht der Fokus stets auf dem eigentlichen Thema, ergo Jacobs festen Entschluß, mit den „Feinden Israels“ abzurechnen. Das ruiniert stellenweise schon richtig düster die geistige Magenflora, greift zwischendrin gar zu Thrillerelementen und schenkt dem aufgeschlossenen Betrachter einiges für den Weg nach Hause. Konkret ein Diskussions-Päckchen, gefüllt mit der Frage nach Schuld und Vergebung. Nehmen Sie’s an!

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...