2 Bewertungen

Tag und Nacht

Männer sind Schweine?

Gleich zu Beginn räkelt sich eine Schönheit namens Elena ohne überflüssige Kleidung vor der Kamera eines Mannes, welcher Anweisungen gibt: „Gimme Your Tits! Show Me Your Fucking Legs!“ Die folgende Frage nach ihren Lieblingsblumen weiß Elena wegen Verständnisschwierigkeiten nicht zu beantworten, doch wenigstens hat sie eine Aufenthaltsgenehmigung, eh wichtiger.

So kurz skizziert ist das Milieu, in welches Lea und Hanna stolpern, um Geld zu verdienen, zum Beispiel ihr Studium zu finanzieren. Aber man ahnt: Ein Zuckerschlecken wird der Nebenjob als Escort-Dame nicht. Und richtig – was noch einigermaßen leger beginnt, stellt bald die jahrelange Freundschaft und beider Seelen auf den Prüfstand. Daß sich Regisseurin und Co-Autorin Sabine Derflinger beim Erzählen dessen kaum für die Motive der Kunden (Einsamkeit? Unterdrückte Lust? Pure Geilheit?) interessiert, scheint zwar etwas befremdlich, bleibt aber ihr gutes Recht. Dennoch hätte sie es sich verkneifen können, hier nur Archetypen dessen abzubilden, was man sich landläufig vorstellt: Die Palette reicht vom älteren Herrn in Strapsen und BH über einen fremdfickenden Familienvater bis zum ordnungsfanatischen Masochisten, der unter Beschimpfungen am „Lumpi“ gezupft werden will. Unsympathen allerorten, eine Art Anti-PRETTY WOMAN-Betrachtung, indes ebenso klischiert, nur andersrum. Im Klimax steht folgerichtig – wen wundert’s ernsthaft – dann eben eine Vergewaltigung.

Unangenehm wird es auch, wenn sich der Film schlicht kalkuliert zeigt. Da sind Bekenntnisse zu hören à la: „Für mich ist das mein Leben!“ Einmal muß Verdis immer gern genommene Halbwelt-Heldin Violetta Valéry zum „Sempre Libera“ greifen. Nach emotionalen Ausbrüchen wird sich, dramatischer Standard halt, beherzt übergeben. Und wenn Derflinger kurz verschnaufen will, gibt’s vor dem nächsten vorhersehbaren Handlungsschritt einfach eine Sexszene. Selbige bestechen zwar ohne Frage durch inszenatorisches Geschick sowie tatsächlich nicht gewöhnliche Unverklemmtheit, allerdings hätte aus quantitativer Sicht die Hälfte genügt.

Wer das alles bis zum Finale verfolgt, erlebt schließlich ein denkwürdiges Ende – nicht wirklich vorhersehbar, zweifellos zugestanden, aber zwiespältig. Man darf diskutieren. Womit dieser gewollte Blick in selbstzerstörerische Existenzmodelle auf den letzten Metern sein Ziel wohl doch erreicht.

Österreich 2011, 101 min
Verleih: W-Film

Genre: Drama

Darsteller: Anna Rot, Magdalena Kronschläger, Adrian Topol

Regie: Sabine Derflinger

Kinostart: 19.01.12

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...