D 2017, 106 min
FSK 12
Verleih: Constantin

Genre: Drama, Erwachsenwerden

Darsteller: Flora Li Thiemann, Emily Kusche, David Ali Rashed

Regie: Ute Wieland

Kinostart: 17.08.17

Noch keine Bewertung

Tigermilch

Rasantes Jugendporträt in knallharten Farben

Laut, bunt und mit jugendlicher Dreistigkeit ziehen die 14jährigen Freundinnen Nini und Jameelah durch die Straßen Berlins und uns hinein in einen Kosmos aus Sommerferien, erstem Sex und ewiger Freundschaft. Letztere wird besiegelt durch das alkoholische Lieblingsmixgetränk der Mädchen – der namensgebenden Tigermilch – und den individuellen Finger-Schwur.

Wir steigen ein in die überdrehte Coming-Of-Age-Achterbahn und sind hautnah dabei, wie sich die selbstbewußten Girls durch Geldbetrügereien lavieren und erstaunlich unbeschadet aus beklemmenden Freier-Szenen kommen. Alles scheint locker, solange man zusammen ist und einen frechen Spruch auf den Lippen weiß. So ist auch die bedrückende, elterliche Wohnung, in der Nini daran erinnert wird, daß ihr Vater verschwunden ist und die Mutter uninteressiert vor dem Fernseher hängt, leichter ertragbar. Jameelah hat ganz andere Probleme, denn mit irakischem Paß steht sie auf der Abschußliste und hat Angst, daß ihre Mutter und sie abgeschoben werden.

TIGERMILCH ist die Verfilmung von Stefanie de Velascos gleichnamigem Romandebüt und kommt beim Anspruch, ein lebendiges Bild eines Alltags Berliner Jugendlicher zu zeichnen, ins Wanken. Zwar steckt im Kaleidoskop an Eindrücken eine Energie, wie sie zu Berlin passen mag, jedoch verliert sich der Blick im Dschungel an Thematiken. Zu all den Fragen, die diese kurzweilige, aber heftige Zeitspanne des unreflektierten Jung-Seins mit sich bringt, reihen sich familiäre Probleme, vorgezeichnet durch das Großwerden in prekären Milieus, und brisante Themen, wie das Zusammenleben im Cultural Clash und die Flüchtlingspolitik. Und all das sollen die Figuren tragen.

Was Regisseurin Ute Wieland schafft, ist, politische Problemfelder weder aufzubauschen, noch zu banalisieren. So erleben wir sie ganz einfach vor unseren Augen und werden von der vermeintlich leichten Sommergeschichte in erschreckende Aktualitätsabgründe gezerrt. Als die Freundinnen Zeuginnen eines tragischen Verbrechens werden, und die Realität endgültig in das Tagträumen von der Freiheit eines langen Sommers einbricht, stehen die Mädchen vor neuen Hürden. Ihr Gerechtigkeitssinn und ihre Loyalität werden auf eine harte Probe gestellt. Ein stark gespieltes, jedoch etwas überzeichnetes Porträt einer tiefen Freundschaft zweier Mädchen, die sich durchkämpfen und letztlich doch den unüberwindbaren Hierarchien erliegen.

[ Katharina Wittmann ]