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Tom Meets Zizou

Von der Suche nach der Leichtigkeit des Seins

Als der Journalist und Filmemacher Aljoscha Pause im Jahr 2003 mit einem Porträt des Zweitligaspielers Thomas Broich beginnt, kann er nicht ahnen, welche Geschichte er mit seinem Film einmal erzählen wird. Der damals 23jährige Broich war neben Schweinsteiger, Lahm und Podolski einer der größten Hoffnungsträger für die zukünftige Nationalmannschaft, ein Ausnahmetalent, und sein Weg schien vorherbestimmt.

Doch es sollte anders kommen, denn Broich ist ein Sonderling in der Fußballwelt. Daß er in den Trainingspausen Dostojewski liest und im Auto gerne klassische Musik hört, wird von den Kollegen noch mit Humor und von der Presse sogar mit großer Begeisterung aufgenommen. Für Mozart, wie er bald von allen genannt wird, sind das aber keine Freizeitvergnügungen. Es ist ein Ausdruck für den tief verwurzelten Drang nach Wissen und Freiheit. Und sogar noch vor dem begabten Fußballer ist er ein Suchender, der die Welt und seine Position in ihr immer wieder hinterfragt, was ihm im Fußballgeschäft bald zum Verhängnis wird.

Ohne Schnörkel, wie ein Präzisionswerkzeug, zeigt der Film dieses Suchen, Finden, Scheitern und wieder Aufstehen. Die Kamera ist immer genau dann vor Ort, wenn es darauf ankommt, und das über einen Zeitraum von acht Jahren. Der Film erzählt vom rasanten Aufstieg, von der Veränderung der Persönlichkeit, die der Erfolg mit sich bringt, und von der Rückbesinnung nach dem Scheitern. Mit jedem Schritt, den der Film in der Zeit voranschreitet, ist man aufs Neue überrascht, gefesselt und berührt von dem Willen des Protagonisten, sein Ziel zu erreichen, das er aber immer wieder auch in Frage stellt. Es ist ein Kampf, diese Suche nach einem Sinn, einer sinnvollen Gestaltung des Lebens. Ein Hinundhergerissensein zwischen der Verpflichtung, ein außergewöhnliches Talent zu nutzen, ohne sich einem System zu beugen, das man verachtet.

Am Ende wird er tatsächlich Recht behalten, sich selbst und allen sportlichen und medialen Wegelagerern gegenüber. Und Aljoscha Pause gelingt ein weiteres einzigartiges Porträt, das unser Bild vom Fußball dauerhaft ändern wird. Er hat Übung darin, nachdem er schon Filme über Alkohol oder Homosexualität im Lieblingssport der Deutschen gedreht hat. Und da muß jetzt einfach das Zitat von Jean-Luc Godard herhalten, daß das Drehen eines Films an sich schon ein revolutionärer Akt ist. Fehlt nur noch das Anschauen.

D 2011, 141 min
Verleih: mindjazz

Genre: Dokumentation, Sport

Stab:
Regie: Aljoscha Pause
Drehbuch: Aljoscha Pause

Kinostart: 15.09.11

[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...