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Verliebte Feinde

Doppelter Tunnelblick im verzichtbaren Biopic

Begierig jede Art von feministischer Literatur verschlingenden Damen erzählt man zwar nichts Neues, aber für alle diesbezüglich eher Ungebildeten zur Vorabinfo: Iris Meyer, Studentin und überaus emanzipiert, verliebte sich in Peter von Roten, den Sproß einer katholischen Familie. Zu einer Zeit, welche Frauen als schmückendes Beiwerk am Herd sah, ihnen sogar das Wahlrecht aberkannte. Das stieß Iris, bald Peters Gattin, übel auf, weswegen sie den kontroversen Bestseller „Frauen im Laufgitter“ verfaßte – und dafür allseits angegriffen wurde.

So weit, so interessant. Der Film nun folgt in einer Melange aus Doku-Material und Spielszenen nicht nur jenem Kraftakt, sondern möchte, basierend auf dem Briefwechsel der von Rotens, ebenfalls der Entwicklung ihrer Beziehung nachspüren. Und verhebt sich mehrheitlich. Das liegt einerseits am klaffenden Widerstreit zwischen Realität und Inszenierung: Während die eingestreuten Fotos oder Zeitzeugenbefragungen Echtheit atmen, kauen die grundsätzlich gar nicht schlechten Mimen an den papieren wirkenden Drehbuchzeilen, bis selbige endlich theatralisch ausgespuckt werden können, oder lesen aus dem Off unter höchstmöglicher Artikulation einst Niedergeschriebenes vor. Stets artifiziell bleibt hier der Ton, und zwar nicht allein, wenn Iris mal wieder das „böse Schwermutstier“ gemein von hinten ins Emotionszentrum zwickt.

Noch schwerer wiegt indes gerade Iris’ Person. Wie sie ihrem Gemahl altbewährte Vorwürfe à la „Du stehst da und sagst kein Wort!“ an den bedröppelten Kopf wirft, über seinerseits abtötende Sinnlichkeit referiert oder ihn durch detaillierte Beschreibungen eigener außerehelich-erotischer Abenteuer scheinbar fast bewußt zu verletzen sucht, formt kein Bild eines starken Charakters, sondern eher das einer nörgelnden Göre. Und was soll man von dieser Feministin halten, welche nach außen Gleichberechtigung fordert, Kind und Hausarbeit jedoch galant arrogant auf wohl weitaus weniger privilegierte weibliche Angestellte abwälzt, dabei aber Aufsicht führen will? Und dazu – weg von den unangezweifelt überzogenen Angriffen nach Veröffentlichung des oben erwähnten Buches – bei Kritik sogleich flüchtet oder losheult?

Nein, diesen zwei Scheuklappen-Menschen (Peter nennt sie gern „Liebes Iris“, was nach „Liebes Etwas“ klingt) mag man kaum zusehen. Obwohl sie einander vielleicht verdienten.

CH 2012, 108 min
FSK 0
Verleih: Rendezvous

Genre: Biographie, Dokumentation, Historie

Darsteller: Fabian Krüger, Mona Petri, Thomas Mathys, Annelore Saarbach

Regie: Werner Schweizer

Kinostart: 02.05.13

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...