Originaltitel: ME ROSVOLAT

Finnland 2015, 85 min
FSK 0
Verleih: Farbfilm

Genre: Kinderfilm, Abenteuer

Darsteller: Kari Väänänen, Lotta Lehtikari, Jussi Vantanen, Sirkku Ullgren, Ilona Huhta, Mio Määtaa

Regie: Marjut Komulainen

Kinostart: 03.09.15

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Vilja und die Räuber

Einen Sommer Freiheit

Erwachsene wissen meist alles besser, gaukeln vor, was richtig oder falsch ist und legen die Kleiderordnung fest. Spätestens seit Pippi Langstrumpf hat wohl jedes Kind schon mal vom Ausbruch aus der Welt der Großen geträumt. Auch Vilja ist gerade mit der Gesamtsituation unglücklich. Die großen Ferien stehen vor der Tür, und ihr humorloser Vater ist mehr mit seiner Münzsammlung beschäftigt als der Abenteuerlust seiner Tochter. Glück im Unglück ist dann der Überfall durch eine Räuberfamilie, bei dem Vilja quasi zufällig in die Hände der „Wilden“ gerät. Was dem Mädchen zunächst Angst macht, entpuppt sich in Kürze als eigenwilliger Ausflug in ein völlig anderes, aber dafür ziemlich aufregendes Leben.

VILJA UND DIE RÄUBER ist quasi ein reales Märchen. Nicht, daß es in Wirklichkeit Räuber gäbe, die Dosen in Supermärkten klauen, tonnenweise Gummibärchen abstauben oder auf der Räuberolympiade mit Messerwerfen punkten. Dennoch spielt alles in unserer Welt, nichts ist zu groß oder zu klein, und Mädchen können keine Pferde tragen. Zudem ist Vilja auch eher vom Typ Annika. Mit streng geflochtenem Zopf ist sie anfangs schüchtern und ängstlich. Doch mit der Zeit wird sie mutig und kreativ und entwickelt sich mehr und mehr zu einer Pippi Langstrumpf. Vor allem will sie von Räubertochter Hele akzeptiert werden. Die wiederum liebt es, geplünderte Barbies aufzumotzen, damit sie wild aussehen.

Überhaupt überzeugt die Ausstattung des Films. In abgeschnittenen Lederwesten, mit Tüchern im Haar, pupsend und rülpsend mäandert die Räuberfamilie zwischen einer Art Punk- und Metall-Look. Mit ihrem heruntergerockten Campingbus halten sie an einsamen Stränden, braten fettige Würste und legen auch sonst keinen Wert auf ökologisch-futuresken Lebensstil. Das ist wohltuend und witzig. Nur leider sind die Räuber zu Beginn des Films eher dem Dilettantismus verfallen. Vor allem Räuber Gold-Piet wirkt grenzdebil mit seinem Seitenzopf und seiner ungelenken Art.

Erst gegen Ende des Films, als es um die Wurst geht, legt Regisseurin Marjut Komulainen echte menschliche Züge der Konventionslosen frei. Dann gelingt der Schlenker zurück von der klamaukigen Blödelei zu einem glaubhaften Neuzeitmärchen, das die Bedürfnisse von Kindern spiegelt, die Freunde und vor allem Freiraum brauchen, in dem sie ungeahnte Kräfte freisetzen können. Der Film ist also auch für Erwachsene sehenswert.

[ Claudia Euen ]