Originaltitel: VIOLETTE

F/Belgien 2013, 139 min
FSK 12
Verleih: Kool

Genre: Biographie, Schicksal, Drama

Darsteller: Emmanuelle Devos, Sandrine Kiberlain

Regie: Martin Provost

Kinostart: 26.06.14

2 Bewertungen

Violette

Die sprechende Wüste

Es gibt Schriftstellerinnen, deren Leben viel beachtet wird – Marguerite Duras gehört zu ihnen oder Virginia Woolf. Dann gibt es noch diejenigen, über die man trotz ihrer literarischen Strahlkraft kaum etwas weiß – wie Violette Leduc. Dabei gelten Leducs Romane als wegweisend für die feministische Literatur. „Sie schreibt über die weibliche Sexualität wie keine Frau vor ihr“, sagte die berühmte Schriftstellerin Simone de Beauvoir über sie.

Leduc schöpft für ihr schriftstellerisches Werk fast ausschließlich aus ihrem eigenen Leben. Als uneheliches Kind 1907 in Frankreich geboren, prägten ihre Kindheit vor allem zwei Dinge: die Abwesenheit ihres Vaters und der Glaube, häßlich zu sein. Diese von ihr als fundamental betrachteten Mängel füllen tausende Seiten, genauso wie ihre Liebe zu Frauen und die emotionale Einsamkeit. „Ich bin eine Wüste, die mit sich selber spricht“, schreibt sie an de Beauvoir.

Die Tragik dieser Figur bringt der französische Regisseur Martin Provost nun 42 Jahre nach ihrem Tod erstmals auf die Leinwand. Emmanuelle Devos als Violette ist keineswegs häßlich, aber eben nicht von jener klassischen Schönheit, die das Kino so gern als Aushängeschild benutzt. Sie spielt die leidende, aber auch anstrengende Violette glaubhaft. Ihr Hin- und Hergerissensein zwischen ihrem künstlerischen Können und dem Wertverlust ihres eigenen Selbst zeigt der Film in poetischen und teilweise schweren Bildern. In den knapp zweieinhalb Stunden tut der Zuschauer dasselbe wie Violette: auf das Glück warten. Denn Leduc lebte in ärmlichen Verhältnissen, ihr schriftstellerischer Erfolg ließ lange auf sich warten, und ihre Beziehungen scheiterten, genauso wie ihre Ehe, auf die eine Abtreibung folgte. Auch darüber schrieb sie in ihren Büchern, die im Frankreich der 60er Jahre zum Teil zensiert wurden.

Eine Beziehung, die bis zum Ende ihres Lebens hielt, war die Freundschaft zu Simone die Beauvoir. Sie förderte sie, bis das Buch „Die Bastardin” 1964 den Namen Leduc nach vielen Jahren Schattendasein ins Rampenlicht einer skandalisierten Öffentlichkeit katapultierte. VIOLETTE ist die Geschichte einer einsamen Seele, die sich ihr Leben lang schwer tat, sich dem Glück zuzuwenden und allein im Schreiben eine Stimme bekam. Daß diese nun auch im Kino gehört werden kann, ist eine späte Wertschätzung einer lange verkannten Künstlerin.

[ Claudia Euen ]