Noch keine Bewertung

Wu Ji – Die Reiter der Winde

Ferner Osten, naheliegende Zerstreuung

Wirtschaftsmagazine, Polit- und Finanzexperten haben eine neue Gefahr ausgemacht. Sie ist groß, sie ist chinesisch, und sie schickt sich an, dem vor allem US-amerikanisch geprägten Mainstream die Stirn zu bieten. Und weil Filme allemal zu den schönsten Spiegelflächen globaler Entwicklungen gehören, muß man die filmökonomische Produktionsachse China-Hongkong-USA ernsthaft ins Kalkül ziehen - spätestens ab jetzt.

Laub- und Blütenblätter, Wasser- und Blut-tropfen, luftige Federn und verbrannte Erde wirbeln durch eine mythengetränkte Geschichte voller stilisierter, charakterlicher Entitäten, die ihre Wurzeln irgendwo im Phantasiereich von Tafelrunde, Gebrüder Grimm, Nibelungenlied, Siegfried, Roy und Konfuzius haben. Am Anfang der Teufelspakt zwischen Fee und schönem Waisenmädchen, das alle zukünftigen Lieben für den lebenslangen Wohlstand opfert. Mord und Intrigen, hochwohlgeborene Sklaven und tadelhafte Ritter - das ist, grob umrissen, die scharlachrote, weizengelbe, himmelblaue, kirschblütenfarbene Märchenwelt, in der es sich hier zu orientieren gilt.

Mit seiner panasiatischen, interkontinentalen Großproduktion obsiegt Regisseur Chen Kaige nicht nur im nationalen Budget-Wettstreit ("teuerster chinesischer Film aller Zeiten"), sondern stellt sich an die Spitze einer Unterhaltungsbewegung, die ganz sicher kulturelle Gräben einebnet, noch sicherer aber Märkte verbindet. Und wer Märchenzauber nachfragt, soll ihn auch bekommen - den phantastischen Schlagabtausch zwischen Gut und Böse, ein asiatisierendes Narnia, einen Herrn der Ringe mit Martial-Arts-Ausbildung, rote Ritter und schwarze Gewissen.

Nicht, daß es da nicht die eine oder andere extravagante Action-Szene gäbe - den Todeslauf des Sklaven Kunlun mitten durch die Hufe einer tollwütigen, rasenden Stierherde etwa, die staubt und dampft, wie der Kampfplatz zwischen zwei Spaghetti-Pistoleros. Nicht, daß man auf schillernde Charaktere in noch schillernderen Kostümen verzichten müßte. Um aber der operettenhaften Figurenzeichnung, dem regelmäßig kippenden Gefecht von schicksalhafter Vorbestimmung gegen individuelle Rebellion eine tiefere, überhaupt eine ernsthaftere Bedeutung von den süßen Lippen lesen zu können, bedarf es eines unschuldigen, eines kindlich staunenden Gemüts.

Originaltitel: WU JI

China/HK/USA 2005, 103 min
Verleih: VCL

Genre: Fantasy, Eastern, Action

Darsteller: Dong-Kun Jang, Hiroyuki Sanada, Cecilia Cheung, Nicholas Tse, Ye Liu

Regie: Chen Kaige

Kinostart: 27.04.06

[ Sylvia Görke ]