Echt schon 30mal Französische Filmtage?! Da macht nicht nur Amélie Poulain auf dem Plakat große Augen. Trotzdem kein Grund zur Selbstbeweihräucherung; Hannah Süss und Friederike Zelder von den Passage Kinos versprechen stattdessen souverän „ein Jubiläumsprogramm“, üppige 17 Premieren harren der Entdeckung, 19 inklusive Kinderfilmen.
Es eröffnet NOUVELLE VAGUE, Richard Linklaters Blick auf die Entstehung des Belmondo-Klassikers AUSSER ATEM. Vielleicht ebenso überraschend wie US-Regisseur Linklaters hiesige Beteiligung scheint Hollywoodikone Jodie Fosters Mitwirkung an A PRIVATE LIFE: Sie mimt in der Krimikomödie eine auf eigene Faust mordermittelnde Psychiaterin. Weitere berühmte Namen klingen, zunächst steht Marion Cotillard als Filmdiva bereit, welche offenbar für eine halbwüchsige Waise sorgt – doch hinter der gütigen Fassade schlägt ein HERZ AUS EIS. Immer gern gesehen auch Cécile De France, in LA POUPÉE am Start, der Geschichte von Rémi, liebeskummergeplagt. In tiefer Verzweiflung zieht er das Zusammensein mit einer Puppe vor, nicht ahnend, daß sie zu turbulentem Leben erwachen wird. Eher alltägliches Chaos garantiert CLASS REUNION, das Treffen ehemaliger Schulkameraden, denen Vanessa Paradis angehört.
Laiendarstellerin Nadia Melliti ist hingegen noch recht unbekannt, was sich aber nach ihrer Beste-Darstellerin-Prämierung in Cannes bald ändern könnte. Melliti verkörpert DIE JÜNGSTE TOCHTER einer algerischen Einwandererfamilie, deren Homosexualität Konfliktpotential birgt. Den Drehbuchpreis erhielt an der Côte d’Azur YOUNG MOTHERS von den Dardenne-Brüdern, hier kämpfen titelgemäß junge Mütter um eine bessere Zukunft. Meister François Ozon fehlt natürlich gleichfalls nicht, er verfilmte „Der Fremde“, Albert Calmus’ Roman um Gefühlskälte, eine Tötung und darauffolgende Konsequenzen. Besonders hingewiesen sei schließlich auf ALPHA – die horroraffine Regisseurin Julia Ducournau begleitet eine jugendliche Außenseiterin und ihren drogensüchtigen Onkel, illustriert so visuell elegisch wie emotional brutal furchtbar normale Schrecken, namentlich Ablehnung und Einsamkeit.
Im tollen Repertoire schauen unter anderem bereits erwähnte Amélie oder EIN PROPHET vorbei, als Geschenk fürs Publikum darf jenes außerdem seinen Liebling küren, zur Wahl stehen vier Hits à la ZIEMLICH BESTE FREUNDE oder THE ARTIST. Ob sich final der Wunsch des Festivalteams, die Besucherzahl vom Rekordjahr 2024 zu übertreffen, erfüllt? Wir sind sicher: Bei diesem reichen Angebot sollte das locker gelingen!
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...