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Andula

Vom Schicksal einer Prager Schauspielerin

Die Filmgeschichte kennt Beispiele für Schauspieler, die im Dritten Reich um ihr Leben spielten: Ernst Lubitsch entwarf die burleske Version schon während des Krieges in SEIN ODER NICHTSEIN. François Truffaut erzählte später in DIE LETZTE METRO über den Spagat zwischen Anpassung und Widerstand an einem Theater im besetzten Paris. Das alles ist keinesfalls bloße Fiktion, nur daß das „wahre Leben“ auch die tragische Variante kennt. Wie im Falle der tschechischen Schauspielerin Anna Letenská, genannt Andula. Die stand noch während der vielbeachteten Dreharbeiten zu einer Filmkomödie, ausgerechnet mit dem Titel ICH KOMME GLEICH, vor der Kamera, während ihr Mann bereits im Gefängnis gefoltert wurde, angeblich wegen Beteiligung am Attentat auf Reinhard Heydrich, dem „Henker von Prag.“ Sie durfte so lange spielen, bis die letzte Klappe fiel, dann wurde sie ausgelöscht.

So tragisch und unfaßbar das Schicksal der Andula, so uninteressant und einfallslos der Film. Da es offensichtlich nicht genügend Material zum Kern dieser Geschichte gibt, mäandert er weitschweifig drum herum. Sieht es zunächst so aus, als ob es eine Gegenüberstellung Andulas mit dem gleichaltrigen Nazi-Demagogen Heydrich geben soll, folgt der Film auf einmal der schillernden Figur des Filmstudiobesitzers Milos Havel, Onkel Vaclav Havels, um sich schließlich daran zu erinnern, wie er eigentlich heißt.

Hannah Herzsprung schläfert das Publikum derweil mittels ausufernder Erklärungen zu den historischen Umständen und belangloser Interpretationen ein, wozu die jeweils passenden Archivaufnahmen eingeblendet werden. Schlimmer noch: Als Andulas Alter Ego schweift sie über die Orte des Geschehens, wirft die immer gleichen pathetischen Blicke und absolviert abgegriffene symbolische Gesten. Das ist nicht nur überflüssig, sondern auch peinlich.

Auf der Strecke bleibt Andula. Denn was erfahren wir über sie, außer daß sie gutmütig war und gerne schmutzige Witze riß? Nur ein einziges Mal glaubt man, ihr nahe zu kommen – wenn ein besticktes Stofftaschentuch auftaucht, auf dem sie in filigraner Arbeit Impressionen aus dem KZ verewigt hat. Der Film nimmt es ihr aber sogleich ab und deutet es zum eindeutigen Indiz dafür um, daß sie immer noch an ihre Rettung glaubte. Doch das ist genau so eine Behauptung wie Herzsprungs schwer erträgliche mimische Interpretationen ihres Seelenlebens.

D 2008, 90 min
Verleih: Salzgeber

Genre: Biographie, Drama

Darsteller: Hannah Herzsprung

Regie: Fred Breinersdorfer, Anne Worst

Kinostart: 01.10.09

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...