Originaltitel: THE FACE OF AN ANGEL

GB/Spanien/I 2014, 103 min
FSK 12
Verleih: Concorde

Genre: Drama, Thriller

Darsteller: Kate Beckinsale, Daniel Brühl, Valerio Mastandrea, Cara Delevingne

Regie: Michael Winterbottom

Kinostart: 21.05.15

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Die Augen des Engels

Vom Wahn ohne Sinn

Spätestens, als die pittoresk anmutenden altstädtischen Gassen im italienischen Siena zu einer Art JURASSIC PARK werden, darf die Frage gestattet sein, ob sich Michael Winterbottom hier nicht ein klein wenig verhoben hat. Daß der Brite so überhaupt kein Interesse daran zeigt, den 2007 tatsächlich geschehenen Fall Kercher/Knox nachzustellen, ist allein aus künstlerischen Motiven überaus verständlich. Man weiß eh zu wenig über Tat und Täter, und der Freispruch der mutmaßlich Schuldigen ist gerade ein paar Wochen alt. Daß Winterbottom aber diesen seltsamen Hybrid aus Thriller noir, Mystery light, Sinnsuch-/Befindlichkeits-Drama und medienkritischem Diskurs anbietet, verstört mit Blick auf das Œuvre des zu Recht vielgelobten Regisseurs sehr. Denn keine der vier Säulen erweist sich als recht standfest.

DIE AUGEN DES ENGELS beginnen zu zwinkern, da ist die britische Studentin schon tot, ermordet aufgefunden in ihrer kleinen Wohnung. Eine US-Amerikanerin und ihr Ex-Freund sind verhaftet worden und angeklagt. Justitias Mühlen mahlen, die Öffentlichkeit ist aufgebracht, der Rummel immens. Ein Strudel aus Wißbegier und nackter Gier spült die übliche Masse wichtiger und sich wichtig gebender Menschen nach Süden. Unter ihnen sind Journalistin Simone Ford und Regisseur Thomas Lang. Warum nur weiß man sofort, daß Kate Beckinsale und Daniel Brühl im Bett landen werden, und keineswegs, um auszuschlafen?

Simone hat ein Buch über den Mordprozeß geschrieben, das wiederum Thomas inspiriert, um den von seinen Produzenten vehement eingeforderten neuen Filmstoff endlich anzugehen. Zur Recherche braucht er jeden Tip, jeden Kontakt, jeden noch so kleinen authentischen Zipfel, den er greifen kann. Vielleicht braucht er aber eher einen Therapeuten oder etwas Volkssport, denn es dauert nicht allzu lange, bis sich der gespielte Regisseur mit dem echten verbündet und – den Faden verliert.

Immer diffuser wird, was Kulisse ist oder Realität, Langs Leben oder Spinnerei. Vor allem das Skypen mit der kleinen Tochter, die bei seiner geschiedenen Frau lebt, holt den Kunstschaffenden stets auf den Boden von Tatsachen zurück. Dennoch aber gerät er immer tiefer in den Wahn ohne Sinn. Eine schöne Studentin, ein finsterer Blogger – Thomas Lang trifft Menschen, die ihm wechselweise nachstellen oder zu helfen vorgeben. Was ist wahr, was nur herbeigefiebert? Am Ende Winterbottoms ganzer Film?

[ Andreas Körner ]