D 2016, 106 min
FSK 0
Verleih: Farbfilm

Genre: Dokumentation

Regie: Sung-Hyung Cho

Kinostart: 14.07.16

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Meine Brüder und Schwestern im Norden

Ein sozialistisches Märchen

Jeder, der die Volksrepublik Korea betritt, bekommt einen eigenen Betreuer an die Hand, der ihn auf allen Wegen begleitet. Sämtliche Besichtigungsstätten sind organisiert, die Menschen, mit denen gesprochen werden darf, handverlesen. Sung-Hyung Cho, geboren in Busan, darf, weil sie nun extra für dieses Filmprojekt einen deutschen Paß besitzt, als eine der wenigen Koreaner aus dem Süden nach Nordkorea einreisen. Denn das Perfide an der Teilung des Landes ist, daß vor allem die Koreaner sich möglichst untereinander nicht begegnen sollen. Nur in auf politischer Ebene ausgehandelten Treffen dürfen sich manche Familien nach Jahrzehnten der Trennung in den Armen liegen.

So liegt natürlich auch das besondere Interesse der Regisseurin auf der Frage, was denn passiert, wenn eine Südkoreanerin auf Menschen trifft, die, wie einer ihrer Protagonisten, sagt, „ ... dasselbe Blut, dieselben Sitten“ haben. Um es kurz zu machen: nicht viel, zumindest auf den ersten Blick. Denn was Cho versäumt, ist, dem Zuschauer, der kein Vorwissen über koreanische Kultur und Mentalität hat, ihre Gedanken, Gefühle und Beobachtungen gewissermaßen als Übersetzung mit an die Hand zu geben. Das ist, wenn man so will, auch sehr koreanisch, denn über emotionale Befindlichkeiten spricht man in Korea nicht sehr ausführlich.

Es gilt herauszufiltern, was neben Chos Hingezogenheit zu den „unberührten Landschaften“ des Nordens und den auf Film gebannten Hymnen der Liebe zum großen Führer Kim Il-sung und seinem Sohn Kim Jong-un noch bleibt – als Stoff zum Nachdenken. Sind es die scheuen Blicke einer Näherin, wenn Cho sie danach fragt, was sie noch erreichen will im Leben, oder die Austauschbarkeit der Gesichter in den Gemälden eines Kunstmalers? Überhaupt die aufblitzenden Momente, in denen die Interviewten mit Cho eine Art Vertrautheit aufbauen, so daß es scheint, sie sitze einfach mit ein paar anderen Koreanern beim Abendessen?

Denn Gemeinsamkeiten kann der geschulte Zuschauer erkennen: Erfolg und Anerkennung werden beiderorts in Geldbeträgen bemessen, es besteht ein Hang zur Hierarchie, egal, ob es um Arbeit oder Familie geht, auffallend ist die verwurzelte Liebe zum eigenen Land und seiner Landschaft und die wohl niemals heilende Wunde, welche die japanische Besatzung in die koreanische Seele gebrannt hat. Auch der Hang koreanischer Frauen, in dörflichen Gegenden qietschbunte Plastikschuhe zu tragen, gehört dazu.

[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...