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Nokan – Die Kunst des Ausklangs

Melodram um das Abschiednehmen

Daigo hat eben den Traum von einem Leben als Berufs-Cellist an den Nagel hängen müssen. Mit seiner Frau verläßt er Tokio gen Japans Norden, um im Haus seiner verstorbenen Mutter zu leben, um in der Heimat neu zu beginnen. Als er sich bei einem vermeintlichen Reiseunternehmen um eine Stelle bewirbt, wird er zu seiner Überraschung sofort eingestellt, muß aber bald feststellen, daß sich das Geschäft seines Chefs Sasaki um sehr spezielle Unternehmungen dreht, nämlich die letzten Reisen Verstorbener. Das einnehmende und auch vereinnahmende Wesen seines Chefs sowie ein großzügiges Gehalt hindern Daigo an der Flucht, und das anfängliche Entsetzen über die ihm nun bevorstehenden Aufgaben wie Totenwäsche und -aufbahrung weicht allmählich der Entdeckung, wie würdevoll und wichtig das alte Ritual der Nokan-Zeremonie ist. Schon nach kurzer Zeit ist Daigo seinem Chef eine unerläßliche Hilfe und fühlt sich selbst berufen. Als aber seine Frau Mika von der Tätigkeit erfährt, ist sie entsetzt und stellt ihm ein Ultimatum …

In Zeiten, in denen das letzte Geleit schon mal an Discount-Bestatter abgetreten, und die Gestaltung des Abschieds nicht nur Fremden überlassen, sondern auch einer Wettbewerbssituation ausgeliefert wird, mag die Lesart des Films als mahnende Erinnerung an eine bedeutsame japanische Tradition eine naheliegende sein. Zugleich zielt das Thema auf die Wahrnehmung als grenzüberschreitendes Plädoyer für einen anderen Umgang mit dem Tod und den Toten. NOKAN erzählt aber auch von einer schwierigen Vater-Sohn-Geschichte sowie von den Komplikationen zwischen Liebenden – in einem Gestus, der im überwiegend ruhigen Fluß der Erzählung und Bilder das Meditative des fernöstlichen Kinos zitiert, ästhetisch und narrativ eher konventionell als spannend ist.

Das merkwürdig aufgesetzt wirkende Bemühen um komische Szenen im ersten Teil und das stellenweise Abgleiten in Kitsch lassen sich recht mühelos vergessen. Schnell ist es übermalt von warmen Farben, verdrängt von starken Charakteren, einprägsamen Gesichtern und von einer Geschichte, die unbedingt zu Tränen rühren will und neue Illusionen heraufbeschwört – vielleicht nicht nur für ihre Protagonisten.

Originaltitel: OKURIBITO

J 2008, 130 min
FSK 12
Verleih: Kool

Genre: Drama

Darsteller: Masahiro Motoki, Ryoko Hirosue, Tsutomu Yamazaki

Regie: Yojiro Takita

Kinostart: 26.11.09

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.