Editorial 08/23

[ 27.07.2023 ] Beim Blick aufs aktuelle Filmgeschehen, mehr noch auf gesellschaftliche Verschiebungen, dieses übergriffige, sich in alle Lebensbereiche einmischende politische Gepolter unserer Zeit, kommt man so ins Denken, derart zum Beispiel: Wer, sagen wir mal, gut 40 Lebensjahre auf der Habenseite hat und ausgesprochen filmaffin ist, der kann sich zurücklehnen, denn dem kann das sicherlich in Fleisch und Blut übergegangene Repertoire eines Pedro Almodóvar, Luis Buñuel oder Pier Paolo Pasolini nicht mehr ausgetrieben werden.

Die Frage stellt sich: Wären die frühen Filme der genannten Regisseure und sicherlich auch manch’ Werk von Michael Haneke, Bruce LaBruce, Álex de la Iglesia, Quentin Tarantino, John Waters, Larry Clark, Roger Vadim, Peter Kern, Gaspar Noé, Catherine Breillat, Derek Jarman, Ulrich Seidl, Takashi Miike, Todd Haynes, Dario Argento, Nicolas Winding Refn, Harmony Korine oder Oliver Stone in ihrer schroffen Schönheit, aneckenden Offenheit, furchtlosen Explizität, kunstvollen Rohheit, in ihrer exponierten Schrill- und Derbheit heute überhaupt noch drehbar? Also in einer Zeit, in der wir als Gesellschaft von Pädagogen umzingelt sind, wir befehlsartig hypersensibilisiert werden sollen für jede noch so kleine Persönlichkeitsfacette und reflexartig bei geringster Abweichung vom erzieherischen Plan kulturelle Aneignung, Gender-Feindlichkeit, Gewaltverherrlichung und anderer Unfug gebellt wird? Ich glaube nicht.

In der Tat, man muß demütig sein, daß man als das Kino liebender Mensch derart libertäre Filmemacher erleben durfte. Nicht, daß es sie heute so gar nicht mehr gibt, aber im Moment ist mir das Kino häufig zu glatt. Das Zeitgeschehen, eine Binsenweisheit, koloriert auch die Kunst, und dieser war und ist es noch nie zuträglich gewesen, wenn sich die moralische Hochnäsigkeit von in etwaigen Kultur-und Fördergremien hockenden Volksvertretern, Redakteuren und Zeitgeistwächtern in den zu entstehenden Filmen widerspiegelt.

Mut im Kino gibt es dennoch, wenn auch im Vergleich zu diesem wohl immer etwas verklärten „Früher“ wesentlich dosierter. Im August darf man sich auszugsweise an der Kantigkeit von FOREVER YOUNG erfreuen, ein in Cannes wohl scharf diskutierter und trotzdem großer Wurf der großen Künstlerin Valeria Bruni Tedeschi. Oder an JEANNE DU BARRY, allein schon für den Mut Maïwenns, den von hysterischen Medien an den Rand zur Aussätzigkeit stilisierten Johnny Depp zu besetzen. Und auf ureigene Weise sind auch die Eberhofer-Krimis rotzig unangepaßt, weil sich Rita Falk als Autorin und Ed Herzog als Filmemacher gewiß nicht in den Dienst der Autokorrektur stellen. Ich bin mir sicher, daß sie dem Versuch von Glattbüglern auf beherzte bayerische Art begegnen würden: „Hoit dei Fotzn!“

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.