Label: Kinowelt HE

Michael Verhoeven

Michael Verhoeven, Jahrgang 38, kommt aus einer Künstlerfamilie. Die Mutter war Schauspielerin, der Vater ist der legendäre Schauspieler und Regisseur Paul Verhoeven, Michaels Schwester Lis ist ebenfalls Schauspielerin und Regisseurin, seine Frau ist der Filmstar Senta Berger, und die gemeinsamen Söhne Luca und Simon versuchten sich ebenfalls bereits auf filmischem Terrain. Nun erscheint eine 4er Box, die mit drei Filmen das Schaffen Michael Verhoevens knapp umreißt und durch die kürzlich ausgestrahlte Doku DIE VERHOEVENS, ein Exkurs durch 70 Jahre Familiengeschichte, ergänzt wird.

Verhoeven gehört seit je her zu den stillen Erzählern, kein pathetischer Polterer, kein eitler Geck, der Geschichte künstlich aufpoliert, um im Kino zu manipulieren. Er hat mit dem Nationalsozialismus sein Thema gefunden und kommt dabei stets subtiler zum Ziel. So geschehen mit DIE WEISSE ROSE von 1982. Verhoevens erfolgreichster Film war die Initialzündung einer gründlichen Auseinandersetzung mit den Geschwistern Scholl und deren politischem Umfeld. Verhoeven berichtet im Interview, daß Förderer und Produzenten wie Leo Kirch Abstand von der Verfilmung nahmen, weil Verhoeven als einer der ersten Gefangenenerschießungen durch die Wehrmacht thematisierte. Da man ja weiß, wer nach den Nürnberger Prozessen weiterhin auf den Thronen saß, kann man die Reaktionen der Konservativen gut nachvollziehen. Der Film wurde vorerst auch in den Goethe-Instituten mit Mißachtung gestraft, sein Publikum fand er dennoch als einer der erfolgreichsten deutschen Filme des Jahres. Erst 1985, auch ein Verdienst Verhoevens, wurde endlich die Anerkennung des Volksgerichtshofes als Justizapparat annulliert. Fortan nennt man die beschämende Institution richtiger ein Terrorinstrument der Nazis.

Schade, daß Verhoevens Skandalfilm O.K. von 1970 nicht dabei ist. Er verlegte den Vietnamkrieg schwersatirisch nach Bayern. Man sagte ihm anti-amerikanische Tendenzen nach, und die Jury verbannte den Film aus dem Wettbewerb der Berliner Filmfestspiele. Mit der Folge, daß die Berlinale komplett abgebrochen wurde, da sich die Kollegen solidarisierten und ihre Filme ebenfalls zurückzogen. Muß schwer was los gewesen sein auf dem Ku’damm ...

Ebenfalls in der Box ist DAS SCHRECKLICHE MÄDCHEN aus dem Jahr 1990. Verhoeven verfilmte hier mit den Mitteln einer Amateurtheater-Ästhetik den Aufklärungskampf von Anja Rosmus, die seit einem Schüleraufsatz mit dem Thema "Meine Heimatstadt im Dritten Reich" nicht locker ließ, um die Nazimachenschaften in Passau aufzudecken. Im Film heißt die Figur Sonja Wegmuß, eine recht naive, dabei unerbittliche Fragestellerin, deren Motto "Man muß wissen wo’s herkommt, sonst weiß man nicht wo’s hingeht" irgendwie sympathisch scheint. Verhoeven besetzte nach DIE WEISSE ROSE die Hauptrolle wieder mit der brillanten Lena Stolze.

Abschließend MUTTER COURAGE aus dem Jahr 1995, die Verfilmung der Überlebensodyssee von George Taboris Mutter. Der Film strapaziert in seiner etwas unentschiedenen Form sein Publikum, aber immerhin fand Verhoeven zu einer sehr seltenen Art von Humor beim Umgang mit dem Holocaust - gottlob lange vor und weit entfernt von Benignis Kasperhampeleien in DAS LEBEN IST SCHÖN. In Interviews kommt Tabori selbst zu Wort, schwärmt dabei vom Genius Brechts, "der größte Autor seit Shakespeare", ohne zu vergessen, daß der Bert auch ein tatsächlich arroganter Brocken war. Tabori selbst zitiert einen Witz, der viel über ihn und seinen großherzigen Humor verrät: Ein deutsches Ehepaar sitzt vor dem Fernseher, schaut sich die schrecklichen Bilder einer Holocaust-Sendung an und meint tränenüberströmt: "Unter Hitler wär’ das nicht passiert".

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.