Originaltitel: WHEN BOYS FLY

USA 2002, 65 min
Label: Pro Fun

Genre: Dokumentation, Schwul-Lesbisch

Regie: Stewart Halpern, Lenid Rolov

When Boys Fly

Eine recht interessante, aber irgendwie auch trist stimmende Dokumentation, die nun als DVD erscheint. Beleuchtet wird das Phänomen (oder eben die armselige Geselligkeit amerikanischer Provinz-Schwuppen) der sogenannten Circuit-Parties, die im Prinzip nix anderes sind als kollektives Dauertanzen, pausenloses Drogenschlucken und verzweifeltes Rumgepoppe. Dabei liefert gleich zu Beginn die Off-Stimme Besinnliches: "Sex ist nun mal für viele das Einzige, was sie haben". Hmmh, das ist nicht viel.

Die Regisseure Halpern und Rolov begleiten nun eine Handvoll junger Typen auf ihrer Reise in eine Bettenburg am Atlantik. Dabei sieht alles genauso aus, wie es Decke-an-Decke-Horrorszenarien von Mallorca bieten. Vielleicht in allem etwas ästhetischer, aber nicht minder verzweifelt. Wir erleben Brandon, Tone, Jon und Todd im Gewühl, beim Klamottenkauf, beim Schnüffeln einer Droge, die auf einem Nahrungsmittelzusatz basiert, dabei eher das Hirn zerstört als ansatzweise nahrhaft zu sein, beim Flirten und beim Sex. Und bald fließen auch die Tränen, gerade bei Jon, der sich schon so etwas wie Treue vorstellen wollte. Aber das geht mit der Muskelmaschine Todd wahrlich kaum ...

Traurig stimmt dieser kurzweilige Ausflug in die moderne, schwule Sub vor allem deshalb, weil er so stark verdeutlicht, wie weit der Prozeß der Ghettoisierung junger Schwuler vorangeschritten ist. Mithalten ist das Motto, befremdliche Gleichschaltung das Ergebnis: diese Zuchtgeflügel ähnelnden Proteinklotze sehen gleich aus, tanzen gleich, kleiden sich identisch, haben den gleichen Teint, reden den gleichen Schrott und hören die gleiche, billige Vocal-House-Disco-Pampe, bei der sich selbst Donna Summer qualitativ abheben würde. Individualität scheint ungewünscht im Paradies der flüchtigen Bekanntschaften zu sein.

Wenn der Partyrausch abebbt, offenbaren sich die echten Katastrophen: Tod, Einsamkeit, Stumpfsinn, Armseligkeit, Leere und Ideenarmut. Das mag etwas ungeschickt und kraß umrissen sein, aber letztendlich treffen Halpern und Rolov damit den Kern. Leute wie der hoffende Jon werden an den Sog aus Zynismus und Frustration verloren. Spaß zu haben und dabei nicht zur Marionette zu werden, ist sehr selten und kostbar geworden.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.