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66/67 – Fairplay war gestern

Ein Film – oder so ähnlich

Fußball ist ja manchen Mannes Existenzinhalt, so auch für Florian, Anführer der 66/67-Clique, zu welcher außerdem der arbeitslose Otto, das Planungsgenie Christian, Polizist Henning sowie ein paar andere gehören. Doch es geht dem sämtlich unsympathischen Trupp nicht um sportliche Leistungen, sondern vielmehr um eine Möglichkeit, das eigene menschliche Scheitern temporär zu vergessen, mit Gewalt Dampf abzulassen. Und wir sind gezwungen, dabei zuzusehen, nervtötende Musik zu ertragen und eine Kameraführung zu erdulden, welche penetrante Wackeloptik mit Authentizität gleichstellt, während sich diese kindischen Typen episodenhaft immer tiefer in die Bredouille reiten, einander aber trotzdem versichern: „Bist’n Freund, echt“ – eine überaus hilfreiche Anmerkung, denn wirklich spüren kann man derlei Zuneigung nirgends.

Daß unter solchen Prämissen darstellerische Künste auf der Strecke bleiben, versteht sich wohl von selbst. Wird vielleicht inhaltlich sonst etwas geboten? Ja, in der Tat: HIV-„Ansteckungs-Parties“, Hartz IV, Kidnapping, Mordversuche, Drogen, Kontrollverlust und noch mehr. Eben jedes Thema, das irgendwie nach Drama riecht, vom Drehbuchautor mal irgendwo aufgeschnappt und nun seinem Erguß bleischwer an die Zeilen gepappt wurde, um ständig zu blöken: böse Welt! Arme verlorene Generation! Scheiß Leben! Plakativer geht es nimmer, zumal verbale Ausfälle à la „Benutz’ den Haß!“ an der filmischen Tagesordnung sind. Da fallen inszenatorische Schlampigkeiten – beispielsweise wird Florian bei einer Messerattacke am Arm verletzt, trägt den zugehörigen Verband aber hellseherisch bereits Tage vorher – gar nicht mehr ins Gewicht.

Richtig ärgerlich wird es schließlich, wenn das Regisseurs-Duo dem überheblichen Irrglauben erliegt, derart komplex erzählt zu haben, daß eine Erklärung nötig sei. Weswegen Florians Schwarm Özlem, übrigens die einzige halbwegs plastische Figur, ihm en detail seine mentalen Defizite auseinandersetzen darf. Also alles, was man dem küchenpsychologischen Skript bereits x-mal entnommen hat. Florian dagegen rafft es erst jetzt und wird – oh, là, là! – von einem Erkenntnispartikel heimgesucht, der bahnbrechender kaum sein könnte: „Am Ende des Tages stehen uns doch alle Türen offen.“ Ah, ja. Glücklicherweise auch und vor allem die zum Ausgang des Kinos.

D 2008, 118 min
Verleih: Farbfilm

Genre: Drama

Darsteller: Fabian Hinrichs, Christoph Bach, Melika Foroutan, Maxim Mehmet

Regie: Carsten Ludwig, Jan-Christoph Glaser

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...