D 2014, 123 min
FSK 12
Verleih: Constantin

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Hannelore Elsner, Nadja Uhl, Axel Prahl, Hinnerk Schönemann, Fabian Hinrichs, Juliane Köhler, Robert Stadlober

Stab:
Regie: Doris Dörrie
Drehbuch: Doris Dörrie

Kinostart: 06.03.14

9 Bewertungen

Alles inklusive

Diese verdammte Sehnsucht

Wenn man rückblickend anhand all der bunten Bänder, der tanzenden Körper, der freien Gesichter und unverbauten Buchten nicht erahnen würde, wie schön der Fischerort Torremolinos einst gewesen sein muß, man hielte ihn beim heutigen Anblick für die Rache Gottes, für die Hölle in Reinnatur: Legebatterien für Sonnen- und Krawallhungrige, der Küstengraus als Brutkasten unzähliger Hautkrebsaspiranten.

Doch halt: Doris Dörrie reflektiert in ihrer ganz eigenen, schätzenswerten Melancholie, sie belehrt nicht, will keinesfalls Retterin einer sich abschaffenden Menschheit spielen, jedoch schaut sie hin und erzählt: Von Ingrid, die vor Jahrzehnten eine junge Hippiemutter war, sich zu wenig um Apple (so heißt die Tochter wirklich) kümmerte, vor deren Augen am Strand mit Karl rummachte, während dessen Frau verkümmerte, und Sohnemann Tim das Geheimnis des bedrückenden Liebesrauschs der „Alten“ mit Apple teilte. Heute reist Ingrid wieder nach Andalusien, gleicher Ort, anderes Szenario. Töchterchen hat sie zum Schnäppchenpreis dahin abgeschoben, Mama soll sich nach der Hüft-Operation erholen, Apple braucht Abstand, das Leben ist für die Multiphobikerin ohnehin schwer genug: Auf der Arbeit holpert’s, ihr Liebesleben gleicht einem endlosen Opfergang, und Freud, die Mopsdame, die Apples Leben bestimmt, leidet an Speck und Hüftdysplasie.

So unterschiedlich sich im Moment die Situation von Mama und Tochter darstellt, das Leben fordert beiden eine Menge ab: Apple läßt sich auf einen wenig sensiblen Tierarzt mit recht eigentümlichem Balzverhalten ein, die dominante Chefin bescheinigt ihr arge Blödheit, in der sie „ihre Fotze nicht von ihrer Handtasche unterscheiden“ könne, und für Ingrid wird der Ort einer einstigen Liebe zum Moloch aus billigster Hol-Dir-den-BH-Animation, Alkoholmundduschen und Friß-so-viel-wie-Du-kannst-Büffet. Sie reüssiert müde, einst doch nur so getan zu haben, ein Hippie zu sein, lernt die Transe Tina kennen und trifft auf den vorerst prolligen Helmut, der sich die Teller vollpackt und schließlich bekennt: „Alleene sein macht doof!“

Saudade sagt der Portugiese, diese verfluchte Sehnsucht also ist es, von der Dörrie zu erzählen versteht. Von diesem Irrsinn mit dem passenden Deckel, der ewigen Suche, der Lust am Sich-Verlieben, was auch impliziert, daß nicht jeder Eimer mit flammendem Herzen gefunden wird, sondern manchmal nur gegen die Angst helfen soll. ALLES INKLUSIVE ist ein tiefgründiger, ein melancholischer Film über das Zuviel und das Zuwenig an Zuwendung geworden. Er erzählt in schönem Rhythmus und mit teils derbem, oft hintersinnigem Witz von alten Zerwürfnissen, den fragilen Chancen einer Neuordnung, von diesem so unendlich schweren Übern-Schatten-Springen. Dörrie erteilt dabei keine Botschaften, es strömt aus ihren kantigen, keinesfalls fehlerfreien und doch immer irgendwie sympathischen Figuren einfach so heraus: Das Leben ist kompliziert, es ist oft auch beschissen, oft auch so doof, daß man für die Liebe zum Tier Kredite aufnimmt oder in AI-Hotels fährt, um für all die Opfer Mülleimer zu spielen oder zu glauben, beim 9. Bier noch die Richtige zu finden. Aber vielleicht wird es ein wenig leichter und heller, wenn man annimmt, wer man ist, und wenn man akzeptiert, wie der andere ist. So einfach.

Und so komisch. Denn Dörrie hält auch wahrlich alberne Szenen bereit: Jetzt schon ein Klassiker, wenn sich die spielwütigen Hannelore Elsner und Axel Prahl als Ingrid und Helmut libidinös und gesangstechnisch rittlings einander zugetan fühlen. Für einen Moment. Der zu einem ganz anderen führt.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.