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Der Schmetterling

Wenn Filmen plötzlich Flügel wachsen

Es gibt sie wohl in jedem Haus: Menschen, die ein wenig seltsam scheinen, denen man lieber aus dem Weg geht, zumal sie sowieso eher für sich bleiben wollen. Zu dieser Sorte gehört zum Beispiel Julien, knarziger Rentner, dessen einzige Leidenschaft darin besteht, Schmetterlinge zu sammeln. Fast nimmt sein Hobby obsessive Züge an. Zumindest, soweit es die Isabella betrifft – ein besonders schöner Falter, welcher nur wenige Tage im Jahr fliegt und entsprechend schwer zu fangen ist. Als der Sonderling einen heißen Tip bekommt, bricht er auf in die Berge, das begehrte Tier endlich zu besitzen.

Zur gleichen Zeit hockt Elsa, acht Jahre alt, über Julien wohnend und für ihn purer Nervfaktor, zur Abholung bereit vor einer viel zu großen Telefonzelle und wartet geduldig auf den Anruf ihrer Mutter. Er wird nicht kommen. Wie so oft bleibt das Mädchen allein, weiß sich indes mittlerweile zu helfen, erklärt Julien kurzerhand zum Ersatz-Opa und lädt sich selbst ein, an seiner Reise teilzunehmen. Weil ihren tellergroßen Augen nicht mal der knurrige Einzelgänger widerstehen kann, stimmt er widerwillig zu – um es alsbald zu bereuen. Elsa hat 1000 Fragen auf Lager, und wenn ihr etwas gegen den Strich geht, übt sie mit unverdorbener Kreativität Rache, der zuerst Juliens Handy zum Opfer fällt. Nun erst recht vom Rest der Welt abgeschnitten, müssen sich Kind und Kauz arrangieren – zwei verwandte Seelen, welche ihren eigenen, doch nur zu ähnlichen Schmerz verwinden.

Regisseur Philippe Muyl sagt: "Ein Schmetterling ist ein einmal gefalteter Liebesbrief." Und er hat ihn mit seinen beiden sich ständig gegenseitig an die Wand spielenden Darstellern sowie wunderbar leisen und aufrichtigen Szenen in diesem intelligenten Meisterwerk geschrieben: an die Welt, das Leben, den Wert der kleinen Dinge, die Menschlichkeit, aber auch die ihr innewohnenden Leiden und Ängste. Dafür dankten Muyl bereits über eine Million Zuschauer in Frankreich. Vielen hallte der schiere Zauber des nicht nur Gesehenen, sondern vielmehr Gefühlten sicher noch lange Zeit im Herzen nach – falls es nicht schon vor dem Abspann davongeflattert war, um sich bei Elsa und Julien häuslich niederzulassen.

Originaltitel: LE PAPILLON

F 2002, 83 min
Verleih: Kool

Genre: Komödie

Darsteller: Michel Serrault, Claire Bouanich, Nade Dieu, Françoise Michaud, Hélène Hily

Stab:
Regie: Philippe Muyl
Drehbuch: Philippe Muyl

Kinostart: 11.03.04

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...