Originaltitel: PRIMAIRE

F 2016, 105 min
FSK 0
Verleih: Alamode

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Sara Forestier, Vincent Elbaz, Patrick d’Assumçao, Guilaine Londez

Regie: Hélène Angel

Kinostart: 15.02.18

1 Bewertung

Die Grundschullehrerin

Kleine Rabauken und große Entscheidungen

Das deutsche Poster betont, wohl unabsichtlich, im Titel den Artikel mittels kreidegleich herausgestellter Schrift. Aber stimmt es, ist Florence vielleicht wirklich die Grundschullehrerin, leuchtendste Vertreterin ihrer Art statt eine unter vielen? Könnte man meinen, so wie sie sich liebevoll um ein von Leseschwäche geplagtes Mädchen kümmert, überhaupt herzblutig zur Sache geht, parallel jedoch streng die Rüpel in Schach hält. Denn scheinbar weiß Florence genau: Wittern Kinder Angst, kann der Pädagoge einpacken und sich nach beruflichen Alternativen umsehen.

Auch Florence wird dies irgendwann erwägen, allerdings nicht infantilen Dissens wegen – es geschah einfach einiges, was massive Zweifel aufkommen ließ. Wir legen den Weg gemeinsam zurück, erleben Prügeleien im Speisesaal, Diskussionen über zu niedrige Gehälter, Auseinandersetzungen mit zickigen Elternteilen, ganz alltägliche private Überforderung – da gerät bereits ein widerspenstiger Teig zur momentan unüberwindlichen individuellen Hürde. Florence, in Scheidung lebend, ist keine Lichtgestalt oder Rundum-patent-und-Spaß-dabei-Heldin, sondern ein normaler Mensch, dessen Prioritäten teilweise zu überdenken wären. Beispielsweise dann, wenn Sohn Denis einen Termin bei der Lehrerin Florence einfordert, um endlich mal die Mutter sprechen zu dürfen …

Solche Augenblicke wiegen emotional recht schwer in einem leichten, überraschend witzigen Film, welcher die natürliche Spielfreude der kleinen Darsteller für oft lockeres Erzählen und kunterbunte Inszenierung nutzt, ohne zu vergessen, was wahres Leben inklusive seiner Härten bedeutet. Hier nimmt beides hauptsächlich Gestalt in Sacha an, Kind aus schwierigen Verhältnissen, praktisch abgeschoben, Geld soll’s richten und Nähe substituieren. Klar, daß Florence da Aktivität entfaltet – und am eigenen Idealismus, der kräftezehrenden Menschlichkeit zu scheitern droht. Gegen Ende streift sie durch eine wunderschön glühende Nacht, alle Zeichen stehen auf Sturm und Neubeginn, man spürt die übermächtige Sehnsucht: Es muß sich etwas ändern. Jetzt, sonst hast Du nie wieder den Mut! 

Rückbesinnung aufs Selbst heißt das Schlüsselwort, trotzdem fallen humane Werte eben nicht – anders als es Sacha geschieht – Egoismus zum Opfer. Und für manchen herrlich beiläufig amüsierenden Spruch bleibt ebenfalls noch Platz: „Poseidon hat Magen-Darm …“

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...