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Die Quereinsteigerinnen

Die wollen doch bloß spielen!

Diesen fiktiven Herrn Winter, ein hohes Tier aus dem Vorstand eines großen Telekommunikationsunternehmens, muß man sich ähnlich unverkrampft vorstellen wie Herrn Kaiser aus dem Fernsehen und ein bißchen weniger fröhlich als Herrn Ackermann aus der Wirklichkeit.

Nein, Entführung mag man Herrn Winters, immerhin unfreiwillige, Landpartie nicht nennen. Denn wenn er auch zeitweilig gefesselt und mit einer Bratpfanne bedroht wird, so ist doch vom Eierlikör bis zum Discoschwof hinreichend für Unterhaltung gesorgt. Und kriminell an seinen Begleiterinnen ist, wenn überhaupt, lediglich ihr Sinn für Nostalgie. Der äußert sich in heilloser Freude am 70er-Flair von Tantchens Laube und in der brisanten Forderung, die es hier durchzusetzen gilt: Katja und Barbara wollen die alten gelben Telefonzellen zurück.

Stellvertretend für seine beschlipsten Artgenossen erlebt also Herr Winter, worauf König Kunde besteht, wenn er eine Bratpfanne hat. Und beispielhaft ist nebenbei zu erfahren, daß auch Anarchokino an ein paar Regeln festhält: verblasene Bilder, als wären sie heimlich aus der Handtasche heraus gefilmt, der Sound schnarrend und blechern wie auf dem Bahnhofsklo, und ein liederlicher Rhythmus, als hätte man alle Zeit der Welt.

An der punkigen Oberfläche sind die Quereinsteiger Knepperges und Mrasek ihren Stilikonen aus Underground- und Super-8-Tagen auf den Fersen, das Gütesiegel von Low- und No-Budget stolz an der Brust. Dabei gehen sie - ganz rebellisch - so weit, Spontaneität, Zufall, Naivität und Dilettantismus (mit professionellen Schauspielern) bis in unsäglich dämliche Dialoge hinein sorgsam zu inszenieren. Doch der eierlikörgetränkte, in Teilen sehr gemütliche Anti-Establishment-Schwank meint es weder mit Anti noch mit Establishment ernst. Und als Nachtrag zu kursierenden Theorien über das Komische bleibt zu sagen, daß "No Sense" nicht automatisch viel Fun bedeutet. Um aber mit unserer großen, postfeministischen Grammatik-Rebellin zu sprechen: Knepperges und Mrasek wissen, wie Sie geholfen werden können, wenn Sie mal ganz ohne Folgen anarchisch auf die Pauke hauen wollen. Dann geht man wie die beiden in die Wälder am Nord-Ostsee-Kanal und ruft ganz laut: Tele, kom!

D 2005, 81 min
Verleih: Rif Film

Genre: Komödie, Schräg

Darsteller: Nina Proll, Claudia Basrawi, Mario Mentrup, Rainer Knepperges, Klaus Lemke

Regie: Rainer Knepperges, Christian Mrasek

Kinostart: 07.09.06

[ Sylvia Görke ]