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Es war einmal Indianerland

Jungsein als Ausnahmezustand

Eigentlich will sich der 17jährige, ambitionierte Boxer Mauser doch nur auf seinen in neun Tagen anstehenden wichtigen Kampf konzentrieren. Doch ständig kommt ihm was dazwischen: Er lernt die verführerische Jackie kennen, kämpft mit seinem Kumpel Kondor, die seltsame Edda aus der Videothek macht ihm Avancen, und alle Welt redet nur noch davon, auf’s Pow-How-Festival zu fahren. Außerdem ist sein Vater Zöllner auf der Flucht, weil er Mausers Stiefmutter Laura im Streit erschlagen hat. Ach ja, überall erscheint dem Jugendlichen ein alter Indianer, der nie ein Wort sagt und gleich wieder verschwindet.

So weit die Handlung, die weitgehend in einem namenlosen, abgerockten Plattenbauviertel am Rande einer Großstadt spielt. Aber im Grunde ist sie nicht so wichtig, denn ES WAR EINMAL INDIANERLAND geht es vor allem um die Bebilderung der Gefühlslage seiner jungen Protagonisten. Und diese befinden sich im andauernden Ausnahmezustand.

Der Film nach dem ausgezeichneten Jugendbuch von Nils Mohl ist ein überdrehter, fast comicartiger Trip im Stil eines Musikvideos. Schnelle, harte Schnitte, häufige Brennweitenwechsel sowie knallige, verfremdete Farben sorgen zusammen mit einem coolen Soundtrack für den entsprechenden Drive. Die häufigen Zeitsprünge werden durch eingeblendete Vor- und Rückspultasten eingeordnet. Da stört es wenig, daß Hauptfigur Mauser ständig seine Gefühlslage kommentiert. Ästhetisch bewegt sich das liebevoll ausgestattete Kinofilmdebüt von Ilker Çatak irgendwo zwischen TRAINSPOTTING und den Filmen Wes Andersons. 

An letztere gemahnt ein ganzes Panoptikum skurriler Nebenfiguren wie zwei spanische Müllsammler, die Deutschland auf dem absteigenden Ast sehen. Und der göttliche Bjarne Mädel hat gleich zwei kurze Gastauftritte. Neben ihnen verblaßt Hauptdarsteller Leonard Schleicher als Mauser schon ein wenig. Emilia Schüle wiederum gibt mal wieder die rehäugige Verführerin und Joel Basman den kaputten Typen. Eine echte Entdeckung hingegen ist Johanna Polley als so unkonventionelle wie schlagfertige Edda, die mutig zu ihren Gefühlen steht.

ES WAR EINMAL INDIANERLAND lebt in erster Linie durch seine für einen deutschen Film erfrischende und äußerst kurzweilige Machart. Damit dürfte er bei der jugendlichen Zielgruppe punkten, die hoffentlich den Weg ins Kino findet.

D 2016, 97 min
FSK 12
Verleih: Camino

Genre: Erwachsenwerden, Abenteuer, Schräg

Darsteller: Leonard Schleicher, Emilia Schüle, Johanna Polley, Clemens Schick, Joel Basman

Regie: Ilker Çatak

Kinostart: 19.10.17

[ Dörthe Gromes ]