D 2014, 88 min
FSK 6
Verleih: Constantin

Genre: Komödie

Darsteller: Gabriela Maria Schmeide, Justus von Dohnányi, Anke Engelke

Regie: Sönke Wortmann

Kinostart: 15.01.15

13 Bewertungen

Frau Müller muß weg!

Brillant besetztes und gallig-witziges Komödienglanzstück

Es kriegen wirklich alle ihr Fett weg: die Jammerossis, die Besserwessis, die Biomütter, die iPhone-Kiddies, die Fremdgehväter, die Komm-doch-bitte-mal-her-Leonie-Rufer und die Kastanienbastelkurslehrer. Sönke Wortmann teilt in seiner galligen, brüllkomischen und zielgenauen Komödie so richtig aus, dabei bereichert er mit der Reminiszenz an Polanskis DER GOTT DES GEMETZELS den Pennäler-und-Paukerfilm. Geboten wird umwerfendes Schauspielerkino, ein bauchhaltend komisches Lachstück voll geschliffener Dialoge. Ist ’ne Menge, fürwahr, aber stimmt eben. Doch der Reihe nach!

Eltern finden zusammen, um sich an einem Sonnabend in einer Dresdner Schule mit der titelgebenden Lehrerin zu treffen. Kein netter Plausch über die lieben Kleinen ist geplant: Die Müller muß weg! Die Gründe dafür sind ganz schlicht: Die Noten der Wunderkinder rutschen in diesem, fürs Weiterkommen aufs Gymnasium so furchtbar wichtigen Halbjahr in den Keller, das Klassenklima ist unmöglich, die Kinder weinen sogar manchmal! Des Trosses Aufforderung im Namen aller (!) Eltern: „Geben Sie die Klasse ab!“ Frau Müller reagiert vorerst besonnen, wischt die Tafel ab und faucht schließlich zurück. Woraufhin den Anwesenden zuerst das Gesicht entgleist, die Contenance schließlich komplett flötengeht, und als Frau Müller wutentbrannt das Klassenzimmer verläßt, ist dies der Moment, wo kurz Stille herrscht. Damit das Gefetze richtig losgehen darf ...

Wie gesagt: Sönke Wortmann holt heftig aus. Er watscht alle ab, er tut dies auf witzige, dabei dennoch deftige Weise. Da wird wohl so mancher im Kinosaal nervös hüsteln, wenn die Wiedererkennung im Halse kratzt. Ein Gruß an die Übergluckenmütter, die ihren Kindern Hochbegabung attestieren, dabei ist es doch nur ADS, an die ewig aufs Früher pochenden Ossis, die noch immer das einstige hohe Gut der Vollbeschäftigung ins Spiel bringen, wobei dem Angeberwessi damit ja doch nur die Steilvorlage geliefert wird: Voll schon, aber beschäftigt? Es gibt schallende Ohrfeigen für die ehrgeizigen Ökomuttis und Prahleväter, die ihren Kindern aus Selbstsucht diesen Streß aus dritter, vierter Fremdsprache, Ballettkurs und Musikschule aufhalsen. Wortmann macht das nicht mit Wut, er erzählt über das Mittel der Komik, die sich aus einer gesunden Portion Tragik speist. Es sind nämlich arme Würste, diese Turboeltern, die aus Kindern, die erst einmal okay sind, jene kleinen Monster machen, die im Treppenhaus nicht grüßen, die poltern, lärmen, sich wichtig nehmen, und die mit ihren schmalen Schultern all die Unzulänglichkeiten ihrer Erzeuger komprimieren müssen, dabei O-beinig zur Schule traben à la: Na, wem wohl gehört die Welt?

Dies ist der Film zur Zeit, der mit ewig krächzenden Vorurteilen jong-liert, woraus herrliche Dialoge entstehen, etwa, wenn eine Mutter ob der ostdeutschen Tristesse verzweifelt ausruft: „Was sind denn das für Menschen hier? Ich will zurück nach Köln!“ Und die Lehrerin selbst? Nun, Frau Müller sorgt für lange Gesichter, wenn sie von Schlägereien, komplettem Desinteresse und der stupiden Passion für In-And-Out-Listen erzählt. Das läßt tief in den Alltag der sich beschwerenden Eltern blicken, zumal Wortmann geschickt die Lebenshintergründe der Eltern, die wahren Impulse für deren übersteigertes Geltungsbedürfnis skizziert. Da zeigt sich eine Realität, die sich aus armseligen Affären auf Opel-Astra-Rückbänken, Unterschriftenfälschungen, der Ablehnung durch das eigene Kind und dem ewig fremdvögelnden Partner definiert.

Das Ensemble spielt geschlossen höchst formidabel, wobei trotzdem Anke Engelke heraussticht. Allein, wie die von ihr gegebene Figur ihrem Mann auf die Mailbox brüllt, daß, wenn er keine schlüssige Erklärung hat, heute Abend aber so richtig die Kuh fliegt ...

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.