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Gegen die Wand

Brennend leidenschaftliches Emotionsmosaik

Der wortkarge Cahit hat die Schnauze voll von seinem Leben, einem ewigen Delirium, gebaut auf Koks und Suff. Er kracht den Wagen titelgebend an eine Mauer. Doch noch immer pocht’s unterm blutigen Hemd.

Auch Sibel, die junge Schöne, ist fertig, nestelt an den Pulsadern rum und paßt so gar nicht ins engstirnige Raster ihrer streng muslimischen Familie. Sie wird Cahit dazu bringen, sie zu heiraten, damit ihr türkischer Clan endlich Ruhe gibt, sie aber weiterhin das Lieben, die Lust und alle Sonnenseiten genießen darf. So eine Rechnung kann nicht aufgehen. Zumal irgendwann echte Gefühle ins Spiel kommen, Cahit einen Nebenbuhler erschlägt, und Sibels Familie alles andere als Ruhe gibt. Cahit muß in den Knast. Sibel bleibt nur die Flucht ...

Wenn zwei derart tropfnasse Straßenhunde aufeinandertreffen, bringt’s den Hexenkessel zum Kochen, da bahnen sich Wut, Leidenschaft und wiedererweckte Lebensgier ihren Weg, da wird das deutsche Kino mit wahrem Reichtum beschenkt und aus den institutionell verstaubten Angeln gehoben. Der fabulöse Erzähler dieses geschickt montierten Mosaiks aus ungewöhnlicher Liebesgeschichte, Fluchtdrama und Generationenkonflikt heißt Fatih Akin. Einer, der mit seinen vorangegangenen Filmen IM JULI und SOLINO dem deutschen Kino ein neues, unbeschwerteres Gesicht gab. Eines ohne Didaktik, Altherrenwitz und Sorgenstirn und was man sonst noch gemeinhin mit dem heimischen Film so in Verbindung bringt.

Akin kehrt nun zu den Wurzeln seines rohen und schon damals verblüffenden Erstlings KURZ UND SCHMERZLOS zurück, erzählt eine Geschichte über Menschen aus Fleisch und Blut, eine Geschichte, die ihn selbst und viele der sogenannten 2. Generation türkischer Einwanderer betrifft. Doch Akin ist kein Dokumentarist, er ist ein Kinofilmer aus Leidenschaft und einer mit Mut zudem. So dürften seine nicht ohne Witz inszenierten Entblößungen des türkischen Patriarchats einigen in Pascha-Pose verharrenden Landsleuten nicht gerade wohl gefallen. Doch darum schert sich Akin ebenso wenig wie um die Einengung aufs Sozialpolitische. Vielmehr wird geklotzt mit purer Emotion, erzählt mit brennender Passion und bebender Wut. Das ist Kino ganz tief aus dem Bauch, das ist großes Kino, das ist Fatih Akin.

D 2003, 120 min
Verleih: Timebandits

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Sibel Kekilli, Birol Ünel

Regie: Fatih Akin

Kinostart: 11.03.04

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.