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Guzaarish

Tanze mit ihr in den Himmel hinein

Ethan will nicht mehr: Seit 14 Jahren vom Hals abwärts gelähmt, moderiert der ehemalige Zauberer eine optimistische Radioshow und kommt ziemlich gut zurecht, wobei ihm seine treue Pflegerin Sofia zur Seite steht. Dennoch möchte Ethan jetzt einen Schlußstrich ziehen, Sterbehilfe in Anspruch nehmen. Euthanasie ist in Indien allerdings verboten, eine Anwältin soll den Anspruch auf Beendigung des eigenen Lebens vor Gericht erkämpfen. Sofia schockiert das Unterfangen, sie kann es nicht verstehen, reagiert verletzt – bis ein Tag kommt, an dem sie beginnt, Ethans Wunsch zu begreifen ...

Nun ist das Ganze nur erstaunliche 126 Minuten lang, für indische Verhältnisse also quasi ein Kurzfilm, doch Zeit für Gesang und akrobatischen Tanz nimmt sich GUZAARISH selbstredend trotzdem. Und mal ehrlich: Man sehnt sich teils nach einer Fernbedienung zum Vorspulen. Nicht, weil diese Einlagen schlecht wären, im Gegenteil, zum Beispiel geriet die Cover-Version von Nat King Coles „Smile“ wunderbar. Aber solcher Bombast aus Engelsstimmen und Gehüpfe paßt einfach nicht zur rauhen, dreckigen, ernsten Problematik.

Überhaupt scheint es Regisseur Sanjay Leela Bhansali eher um einen „Larger Than Life“-Stil zu gehen: Jede Kamerafahrt kommt en détail durchkomponiert daher, Sofia (man weiß es noch: eine Krankenschwester) könnte, jederzeit aufgedonnert und oft tief geschürzt, problemlos den nächsten Opernball besuchen, selbst Ethans Besetzung mit dem kernigen Star Hrithik Roshan erfreut optisch, trägt aber wegen mimischer Defizite nicht eben viel zum Gelingen bei. Das nominelle Sterbehilfe-Drama hat zwar immer dann starke Augenblicke, wenn der – adäquat zur Regie sogar in Nebenrollen showeinlagenartig agierende – Cast mal auf geweitete Augen, überdeutliche Artikulation und Gesten am Rand des Theaters verzichtet, den Figuren Raum schenkt. Doch zu selten darf man dies sehen, womit sich durchaus interessante Betrachtungen zum Thema im kunterbunt-artifiziellen Gewusel, in der künstlich gezimmerten Welt, manchmal fast Douglas Sirk ähnlich, kaum behaupten.

Von Verleihseite heißt es werbetechnisch ganz allgemein: „Bollywood macht glücklich!“, was stimmen mag, falls Kitsch und Opulenz für den ominösen Glücksbegriff herhalten sollen. Das Erkaufen derartiger Rauschgefühle durch Inszenierung am Sujet vorbei darf im hiesigen Fall indes deutlich kritisiert sein.

Originaltitel: GUZAARISH

Indien 2010, 126 min
Verleih: REM

Genre: Drama, Musikfilm

Darsteller: Hrithik Roshan, Aishwarya Rai

Regie: Sanjay Leela Bhansali

Kinostart: 03.03.11

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...