Originaltitel: HÅP

Norwegen/S 2019, 125 min
FSK 12
Verleih: Arsenal

Genre: Drama

Darsteller: Andrea Bræin Hovig, Stellan Skarsgård, Elli Müller Osborne

Regie: Maria Sødahl

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Hope

Ich selbst, das unbekannte Wesen

Ein bißchen genervt, etwas zärtlich, ein wenig aggressiv: Liegen Anja und Tomas abends im Bett, schwankt die Stimmung. Rührt vielleicht auch von Anjas ständigen Kopfschmerzen her, die jetzt endlich abgeklärt werden. Hirntumor. Unheilbar.

Tomas weint, Anja behauptet, es geahnt zu haben, Hilflosigkeit kanalisiert sich in Vorwürfen gegen die Ärzte, einander. Die Inszenierung berichtet nüchtern, bildet fast dokumentarisch ab, im Halbdunkel steriler Krankenzimmer knickt das titelgebende Hoffen zusammen. Oder liegt’s daran, daß Emotionen hier eh kaum je Fuß fassen konnten? Wir sehen zu, wie Anja Nötiges regelt, Tomas das Versprechen abringen möchte, eine neue Frau zu finden – den Kindern zuliebe. Sie erfragt die noch übrige Zeit – um alles für die Kinder zu organisieren. Anjas beste Freundin, irgendwann informiert, wünscht sich spontan, es hätte sie oder Tomas erwischt – im Interesse der Kinder. Die Kamera besetzt da eine Doppelrolle als diskrete Beobachterin und gnadenlose Verfolgerin und entdeckt ein Leben kreisend um – die Kinder.

Man will Anja nur schütteln, Selbstfokussierung ins diesbezüglich taube Ohr brüllen, ihr Tomas’ stilles Leiden vor dafür blinde Augen führen. Natürlich gibt es von Anfang an zum Zerbrechen verurteilte Beziehungen, eventuell gehört jenes Paar ja zu den grundsätzlich Verdammten. Aber beidseitige Flucht in stetig mehr Arbeit bezeugt eher zunehmendes Wegdriften, falsche Prioritäten prangen deutlich auf der Hand, neben niemals eingerissenen Kommunikationsmauern.

Regisseurin Maria Sødahl wählt einen mutigen Ansatz, verzichtet auf einleitende Charakterisierung, wir sollen an der Tragödie zweier völlig fremder, dazu nicht wirklich sympathischer Menschen partizipieren, den nackten Ereignissen folgen, mitgehen und schließlich ergriffen sein. Was zunächst zwangsläufig scheitern muß, weil das ewige Greinen um den Nachwuchs sogar abgründige Dialogzeilen überschreit – darunter Anjas bitteres Geständnis, Tomas und sie seien „so glücklich, wie wir es verdienen.“ Daß Sødahl immer einen Masterplan verfolgte, tritt daher ebenso erst in der zweiten Hälfte hervor wie erzählerische Perfektion und figurenzeichnende Meisterschaft. Dann nämlich, wenn Anja, auf viele Art hungrig, nicht bloß Pfannkuchen an sich reißt, gelöst nach außen strahlt – und Sødahl eine Emotionswoge entfesselt, deren Wucht ihresgleichen sucht.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...