3 Bewertungen

I’m Still Here

Joaquin Phoenix … As Himself

Im Jahr 2008 verkündete der Golden-Globe-Gewinner und zweifach OSCAR-nominierte Schauspieler Joaquin Phoenix, er wolle nie wieder eine Rolle in einem Film übernehmen. Stattdessen werde er sich der Musik widmen und ein HipHop-Album rausbringen. Die Meldungen in der Presse überschlugen sich, Fragen und Spekulationen füllten Magazine und Fernsehshows. Doch der Star aus WALK THE LINE und RESERVATION ROAD schwieg. Zu den raren öffentlichen Auftritten der folgenden Monate erschien er mit zotteligen Haaren, langem Bart und Sonnenbrille. Jetzt kommt der Film in die Kinos, der die Wandlung des Hollywoodstars vom Liebling der Massen zum Außenseiter dokumentiert.

Überraschend an dem Film ist die Nähe zu seiner Hauptfigur. Die Kamera ist überall dort, wo die Presse nicht ist. In Hotelzimmern, Proberäumen, Büros und Wohnungen. Sie ist dabei, wenn Agenten verzweifeln und Freunde beleidigt werden. Sie läuft, wenn mit Prostituierten Koks gezogen wird. Und sie begleitet den, der früher mal Joaquin Phoenix war und jetzt JP genannt werden will, auf seinem Bittgang zu Sean „P.Diddy“ Combs. Und es zerreißt einem das Herz, wenn man den zur Karikatur gewordenen, aber mit Leidenschaft und Hoffnung ausgestatteten Schauspieler sieht, wie er vor diesem größten aller Angeber der Musikbranche wie ein kleiner Junge sitzt und sich eine Abfuhr einholt.

Daß der ganze Film eine Täuschung war, ist kein Geheimnis mehr. Casey Affleck, Schwager von Phoenix und Inszenator dieses Clous, verkündete im letzten Jahr bei einer Pressekonferenz, daß alles, der Ausstieg und das geplante Album, inszeniert war. Aber genau hier liegt die einzigartige Qualität von I’M STILL HERE. Dieser Film übersteigt den Unterhaltungswert der meisten Hollywoodproduktionen bei weitem und widmet sich gleichzeitig noch so einem schwierigen Thema wie Identität. Und er tut das vor allem durch sich selbst, durch die Vortäuschung falscher Tatsachen. Dazu kommt ein brillanter Joaquin Phoenix, der hier wieder beweist, daß er einer der Besten seines Fachs ist.

Für die Antwort auf die Frage „Wer bin ich?“ geht er durch die Hölle, nimmt die Schmäh der Presse in Kauf und muß im Fernsehen mit ansehen, wie seine Kollegen sich über ihn lustig machen. Und je länger der Film läuft, umso mehr bekommt man das Gefühl, das hier aus Spaß irgendwann Ernst wurde. Und man fiebert mit und leidet mit – und genau das ist doch Kino.

Originaltitel: I’M STILL HERE

USA 2010, 108 min
Verleih: Koch Media

Genre: Dokumentation, Experimentalfilm, Mockumentary

Darsteller: Joaquin Phoenix

Regie: Casey Affleck

Kinostart: 11.08.11

[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...