Originaltitel: OLHANDO PARA AS ESTRELAS

Brasilien/USA 2016, 89 min
FSK 0
Verleih: W-Film

Genre: Dokumentation

Regie: Alexandre Peralta

Kinostart: 27.02.20

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Looking At The Stars

Vom Nicht-Sehen und Gesehenwerden

Vom großen Soulisten Stevie Wonder stammt ein doppelbödiges Zitat über seine Blindheit: „Ich habe nie gelernt, was es heißt zu sehen. Deshalb habe ich mich auch nicht darüber ärgern können.“ Geyza konnte neun Jahre lang sehen, Thalia drei. Dann kamen ihre Krankheiten: Pilzbefall im Gehirn, ein Tumor in der Netzhaut. Die Mädchen starben nicht daran, aber sie verloren ihr Augenlicht. Ihr persönliches LOOKING AT THE STARS hat mit mehr zu tun als den Augen.

Geyza ist Ende 20, als Alexandre Peraltas berührender Dokumentarfilm einsetzt, Thalia 14. Was beide eint, ist ihre natürliche Gabe zu lächeln und zu lachen, ihr Drang, sich zu bewegen, Schritte und Sprünge zu meistern und damit ihr Leben. Es wäre zu dünn, LOOKING AT THE STARS als Tanzfilm zu bezeichnen, als Doku über Tänzerinnen oder eine Inklusions-Tanzschule, die als weltweit einzige ihrer Art gilt. Hier wird über menschliche Stärke erzählt, Empathie und Mut.

Fernanda Bianchini fordert einen kleinen, eher stolpernden Jungen auf, er solle doch zu den Sternen aufschauen, auch wenn er sie nicht sehen kann. Eine Ballerina mache das so. Vielleicht greift ausgerechnet er irgendwann gar nach den Sternen. In der „Fernanda Bianchini’s Association Of Ballet And Art For Blind People“ (AFB) in São Paulo lernen blinde Menschen seit 1995, sich zu koordinieren, zu orientieren, die Musik durch ihren Körper fließen und in Bewegungen münden zu lassen. So wie ihre Lehrerin einst vor allem mit ihrem Herzen tanzte, tun es ihr die Schülerinnen und Schüler nach. Es gibt dabei reinen Ausdruck und auch geschlossene Choreographien. Es gibt unzählige Übungsstunden und Auftritte, obwohl Cesar Albuquerque, einer der in der AFB beschäftigten Tanzlehrer, einigen seiner Freunde nicht mehr Bescheid sagt, wenn die Schule an die Öffentlichkeit geht. „Ihnen fehlt der Mut zum Zuschauen“, sagt Albuquerque. Auch diese Worte haben einen doppelten Boden, und einer davon hat mit uns zu tun.

Über 500 Menschen gingen bislang durch die AFB. Finanziert wird sie vorrangig durch Spenden, adressiert ist sie speziell an ärmere Familien. Es wäre viel über Struktur und Methode zu erzählen, doch Regisseur Peralta entschied sich während des Drehs um. Zu stark und bewegend, zu kraftvoll und echt waren die Lebensgeschichten von Geyza und Thalia, in denen so gut wie alles vorkommt: Tränen und Hoffen, Hochzeit und Nachwuchs, Mobbing und sehr viel Liebe.

[ Andreas Körner ]