Originaltitel: POPULAIRE

F/Belgien 2012, 111 min
FSK 0
Verleih: StudioCanal

Genre: Komödie, Romantik

Darsteller: Déborah François, Romain Duris, Bérenice Bejo, Eddy Mitchell, Miou-Miou

Regie: Régis Roinsard

Kinostart: 11.04.13

1 Bewertung

Mademoiselle Populaire

Mit Frischzellenkur durch die 50er

Wer erinnert sich eigentlich nicht daran? Als Kind wollte man sich ein wenig wichtig tun, so mit Verantwortung und Sachlichkeit. Genau deswegen schrieb man Hitlisten und pubertäre Gedichte nicht etwa mit dem ohnehin übers Papier kratzenden DDR-Füller „Heiko“, nein, man setzte sich an die Schreibmaschine, streichelte die Tasten, liebte das klingelnde Geräusch des Schiffs am Zeilenende. Dieses Gefühl aus Geschäftigkeit und Technikverliebtheit stellt sich bei den ersten Bildern zu diesem reizenden und herzerwärmend nostalgischen Film ein: Wir sehen eine alte „Triumph“, schön sieht sie aus mit ihren ergonomischen Tasten in vornehmem Weißgrau. Und auch sie wird sich der Zeit stellen müssen, neue, schrillere Modelle werden folgen.

Doch halt, die Geschichte von Régis Roinsard ist ja letztendlich eine ganz andere. Sie erzählt von Ausbruch, Neuanfang, beruflichen Träumereien und – das Wichtigste – der Liebe. Sie erzählt von Rose und Louis. Sie, das Landei, das eines Tages den Koffer packt. Damals ging das ja noch, den eigenen Kram in eine einzige Tasche packen und los! Sie verläßt die Normandie, das Kaff und den väterlichen Krämerladen, um in der großen Stadt ihr Glück zu versuchen. Und er? Ein Schnösel, der Chef einer Versicherung, stets akkurat mit Weste, Binder und Jacket. Der Film sieht es nun vor, daß sie sich begegnen. Allein der Anlaß dieses Aufeinanderprallens, anders kann man das nicht bezeichnen, lädt zum Schmunzeln ein: Rose bewirbt sich um die Traumanstellung eines jeden Mädchens in den 50ern – sie will unbedingt Sekretärin werden. Die Schlange im Vorraum von Louis’ Kanzlei ist lang, jede beargwöhnt diejenige, die vom Probetippen verschwitzt aus dem Chefzimmer kommt, und dann ist Rose dran. Da hat der charmante Film die ersten Lacher schon zu verbuchen: Rose tippt, wie andere die Teetasse heben – mit zwei Fingern. Aber immerhin, sie tut es schnell. So soll sie die Chance kriegen, auch wenn sie in ihrer Ungeschicklichkeit, ihrem Linkischsein die Stapel von den Schreibtischen abräumt, Klienten verunsichert, Chaos im Büro anrichtet.

Letztendlich ist der Weg das Ziel, Romain Duris als Louis bieten Roses Fauxpas Steilvorlagen für eine dem Zuschauer an ihm bisher unbekannte Bärbeißigkeit, und die Drehbuchautoren erdachten sich dazu wunderbare, freche, teils ordentlich auf die Zwölfe hauende Dialoggefechte – fast wie aus den guten alten Hepburn-Tracy-Zeiten. Apropos gute alte Zeit: Wenn man nur kurz hört, daß es in einem Film um Sekretärinnen, Schreibmaschinen und schließlich gar um Tippmeisterschaften internationaler Couleur geht, dann atmet man schon mal tief durch in Furcht vor antikem Mief. Komplette Fehleinschätzung!

Gerade weil die Filmemacher so gründlich waren mit den akribisch-perfekten Dekors, der ewigen Plissée-Mode und dem technischen Zeitgeist, als zum Beispiel selbst europäische Autos noch wie amerikanische Schlitten aussahen, weil sie die Wettstreite um die schnellsttippende Frau des Universums inszenieren wie Stierkämpfe in der Arena, natürlich wahlweise mit der klassischen Bitch oder alten Jungfer auf der Gegenseite, und dazu eben nicht das – zwar gute, aber auch ausgeleierte – „Typewriter“-Stück von Leroy Anderson orchestrierend zur Seite stellen, sondern einen gepflegten Mix aus Rock’n’Roll, Boogie, Tango und ChaCha, entsteht ein Film, der durch perfektes Timing, eine wunderbar gegensätzliche Besetzung und eine noch in jeden Leberfleck der Hauptdarstellerin verliebte Kamera Zuschauerherzen schmelzen lassen wird.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.