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Majestät brauchen Sonne

Wilhelm II. und die Faszination für bewegte Bilder

Wer hätte das gedacht: Der erste deutsche Filmstar war unser letzter Kaiser - so zumindest die These von Filmemacher Peter Schamoni. Und die erstaunliche Fülle von Filmmaterial, die Wilhelm II. bei Paraden, auf der Jagd, auf seinen Reisen und im Kreis seiner Vertrauten zeigt, scheint das zu belegen. Tief hat sich Schamoni in die europäischen Filmarchive gewühlt und Schnipsel um Schnipsel zutage gefördert, darunter auch ein frühes Farbfilmexperiment von 1913 - mehr als 20 Jahre bevor der Farbfilm im eigentlichen Sinne erfunden war.

Die Dokumente reichen von Aufnahmen der Trauerfeier zum Tode der englischen Königin Victoria aus dem Jahre 1901 bis zu Propaganda-Bildern der Wochenschau, die die Beisetzung Wilhelm II. im holländischen Exil 1941 zeigen. Dabei reiht Schamoni nicht einfach nur chronologisch aneinander, sondern folgt thematischen Zusammenhängen und erlaubt sich zeitliche Vor- und Rückgriffe. Neben dieser geschickten Dramaturgie, die von sehr genauen Kommentaren begleitet ist, sind es vor allem die Aufnahmen selbst, die die Neugier wachhalten. Denn sie beleuchten nicht nur die umstrittene historische Persönlichkeit, sondern auch die Begeisterung für die Kinematographie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Kaiser und Volk gleichermaßen ergriffen hatte. Zu sehen sind neben Auftragsarbeiten, die die kaiserlichen Unternehmungen in günstigem Licht für die Ewigkeit konservieren sollten, auch Filme von Privatleuten, in denen sich Bewunderung für den hochwohlgeborenen Promi mit der Freude an den Möglichkeiten des neuen Mediums mischt.

Doch bei allem Respekt für die handwerkliche Brillanz dieses Kaiserporträts: Gelegentlich scheint Schamoni einer Art monarchistischer Romantik verfallen. Denn der historische Abstand im Blick auf Wilhelm II., der eben nicht nur Reise- sondern auch Kriegskaiser war, schrumpft hin und wieder auf das Maß der sympathischen Vertraulichkeit zusammen. So taugt Schamonis Dokumentation natürlich zum Staunen und Schmunzeln - aber durchaus auch zum Streiten.

D/NL 1999, 95 min
Verleih: Arthaus

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Peter Schamoni
Stimmen: Mario Adorf, Otto Sanders

Kinostart: 09.11.00

[ Sylvia Görke ]