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Marieke und die Männer

Ein Gesicht, ein Film und banale Antworten

Es gibt Filme, die leben von einem Gesicht. MARIEKE UND DIE MÄNNER ist so ein Film. Und das Gesicht, vom dem dieser lebt, ist das der Titelheldin. Mädchenhaft naiv ist dieses Gesicht, einerseits. Wissend, manchmal fast abgeklärt, andererseits. Beobachtend, neugierig. Und dann wieder verschlossen. Verlockend und abweisend von einem Lidschlag auf den anderen. Dieses Gesicht ist ein Rätsel in seinen Widersprüchlichkeiten, die es spiegelt. Ein schönes Rätsel zumal. Genau das nun hätte auch Sophie Schoukens Film MARIEKE UND DIE MÄNNER sein können. Die Geschichte trägt das Potential dazu in sich. Nur, daß das nicht genutzt wird. Denn hier wird ausformuliert, geantwortet, erklärt bis zum Letzten. Psychologie soll das wohl sein. Dramaturgisches Gift ist es außerdem.

Die junge Marieke (faszinierend stilles Spiel: Hande Kodja) mag alte Männer. Sie fühlt sich geborgen bei ihnen. Sie begehrt ihre Körper. Diese Körper gelebten Lebens. Marieke hat Sex mit diesen Männern. Und sie fotografiert sie, entlockt diesem verschlissenen Fleisch gerade in dessen ungeschützter Nacktheit immer wieder Ansichten einer eigentümlichen, berührenden Schönheit. Und ja: Auch von dieser Eigentümlichkeit, dieser Schönheit ruht einiges in diesem Film selbst. Jedenfalls so lange, wie MARIEKE UND DIE MÄNNER durch die Augen Mariekes schaut.

Doch bald schaut Schouken eben nicht mehr mit, sondern auf Marieke. Und erklärt uns: Dieses Mädchen ist fixiert auf alte Männer, weil ihr Vater sich einst das Leben nahm. Und seitdem ist da eben eine Leerstelle, die jetzt mit der Lust, Zärtlichkeit und auch Dankbarkeit der alten Liebhaber gefüllt werden soll. Oder so ähnlich. Dramatisch zumindest wird es, als Marieke auf Jacoby trifft. Ein charismatischer Graukopf. Und der Ex-Geliebte von Mariekes Mutter. Eine prekäre Situation der Instabilität. Ja, und auch das ist reizvoll. Und ja, auch das verliert sich im Erklären und Absichern, im Zurückweichen vorm Zuspitzen und Ausloten. Unverständlich, warum Schouken ihre Geschichte (sie schrieb auch das Drehbuch) so entzaubert. „Toterklärt“ wäre ein zu hartes Wort für diesen Film. Aber dessen Rätsel, die dunklen seelischen Schattierungen des Irrationalen, sind banalisiert zur psychologischen Fallstudie einer Traumatisierten.

Was bleibt, sind großartige Fotos alter Männer und das faszinierende Gesicht einer jungen Frau.

Originaltitel: MARIEKE MARIEKE

Belgien/D 2010, 85 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen

Genre: Drama

Darsteller: Hande Kodja, Jan Decleir, Barbara Sarafian

Regie: Sophie Schoukens

Kinostart: 28.06.12

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.