D 2025, 86 min
Verleih: Piffl
Genre: Drama
Darsteller: Paula Beer, Barbara Auer, Matthias Brandt, Enno Trebs
Regie: Christian Petzold
Kinostart: 18.09.25
Auf der Landstraße durchs Örtchen Herrnstein in der Uckermark kreuzen sich flüchtig die Blicke zweier Frauen. Betty, die ältere, streicht ihren Gartenzaun. Laura, die jüngere, sitzt mit Freund und Bekannten im vorbeirauschenden Cabrio. Wenig später kommt das Cabrio aus der Gegenrichtung zurück. Betty muß nicht aufschauen, das Geräusch des Unfalls ist weithin zu hören. Sie bringt die Überlebende ins Haus und sorgt für Hilfe. Allzu gut versteht man das Staunen des Notarztes, als die Berliner Klavierstudentin verkündet, bis auf weiteres bei Betty wohnen zu bleiben – und die Dame des Hauses ohne Zögern einwilligt. Nicht verwandt? Noch nicht einmal befreundet? Aha.
Christian Petzold, diesem wahrscheinlich aufregendsten deutschen Auteur seiner Generation, eilt ein Ruf voraus, den er mit jedem neuen Film bestätigt. Er hebt die Matrix des Alltäglichen wie eine Plane an, spickt sie mit Löchern und läßt das Subkutane atmen, zuletzt seltsam leicht und immer öfter im verdächtig heiteren Tongeschlecht Dur. Wem außer Petzold gelingt es, ein Roadmovie, als das sich MIROIRS NO. 3 zunächst verkleidet, zum Stillstand zu bringen, um Dynamik zu erzeugen? Und wer außer ihm würde der auch im Freizeitlook eleganten Barbara Auer einen Autohändler im Lederblouson zur Seite und einen Sohn im Schrauberblaumann zum Sohn geben? Mit Matthias Brandt und Enno Trebs, wie Auer und Paula Beer regelmäßig Teil von Petzolds Schauspiel-Ensemble, ist die Familie im Haus an der Landstraße nämlich komplett. Oder versucht zumindest, Kaputtes zu reparieren.
In MIROIRS NO. 3 wird tatsächlich viel repariert. Der Wasserhahn tropft, der Geschirrspüler spinnt, weil immer was mit dem Flügelrad ist, wie das vor Handwerkerehrgeiz kaum aufzuhaltende Vater-Sohn-Gespann diagnostiziert. Und wenn bei Tisch die Unterhaltung abreißt, füllt Laura die Teller: Königsberger Klopse halten Leib und Seele zusammen. Bild für Bild, Bissen für Bissen legt Petzold die Mechanismen einer versuchten Selbstheilung frei – nicht zuletzt auch das aus Metaphern, Spiegelungen und Querverweisen gebaute Räderwerk, das ihn selbst und alle seine Filme antreibt. Zum Schrauben, Feilen und Hämmern des auf offener Szene werkelnden Quartetts klingt das dritte Stück aus Maurice Ravels Klavierzyklus „Miroirs“ an. Ein bißchen Moll mogelt sich ins Dur.
[ Sylvia Görke ]