Originaltitel: ON THE ROAD

F/GB 2012, 137 min
FSK 12
Verleih: Concorde

Genre: Literaturverfilmung, Roadmovie

Darsteller: Sam Riley, Garrett Hedlund, Kristen Stewart, Kirsten Dunst, Viggo Mortensen

Regie: Walter Salles

Kinostart: 04.10.12

21 Bewertungen

On The Road

Gelungene Adaption über Lebenshunger, Gras und O-beinige Potenz

Was heißt schon Buch? Bibel, Manifest, Beipackzettel aller Jazz-Melancholiker und Whiskey-Aficionados, Bewußtseinserweiterten und Ausbruchswütigen. Für moderne Untergangsbetrinker aber auch, denn die Freiheit, und die ist Dreh- und Angelpunkt in Jack Kerouacs Werk „Unterwegs“, oder besser der Hunger nach dieser, der war damals unstillbarer, gieriger und kompromißloser als heute. ON THE ROAD erzählt nun in Bildern von dieser Gier, fiebrig und mitreißend, erzählt vom Abhauen, von echten und flüchtigen Freunden, von rauch- und fuselgeschwängerter Luft in Klubs, von Männerliebe am Rande auch, aber vor allem immer wieder vom Aufbrechen, Suchen, Tanzen, Dichten, Kiffen, Saufen und Ficken – wobei die Mädchen nicht selten Nutten waren.

Für den jungen Sal, so kurz nach dem Tod seines Vaters (und hier hält sich der Film an das Originalmanuskript) läuft es momentan richtig beschissen, schreiben will er, die Worte allein fehlen. Die Ablenkung gut, als Sal Dean Moriarty vorgestellt wird. Ein Typ, dem alles Theoretische abgeht. Leben muß man anfassen können – Frauenhintern, Gras, den Whiskey im Glas mit schwerem Boden oder gleich aus der kreisenden Pulle. Sal wird auch sofort klar, warum Dean so verrückt nach dieser blutjungen Marylou ist – welches Mädchen kann schon derart lasziv Joints drehen? Das Wilde, das Ungezügelte beeindruckt Sal, es reißt ihn mit. Als Dean gen Westen aufbricht, dauert es nicht lange, bis Sal ihm folgt. Und dieser Auftakt einer Freundschaft, die trotz der gemeinsamen Liebe zum Jazz, zum Booze, zum Ausdruck ein ungleiches Bündnis bleibt, ist der Beginn einer Reise, die Sal die Augen für die Schönheit Amerikas öffnet, die letztendlich ihn (ergo Kerouac) zum richtigen Autor macht ...

Walter Salles war verrückt genug, um Nerven zu behalten, denn zum einen gehört Kerouacs Beatnikbibel „Unterwegs“ zu den ewig als unverfilmbar geltenden Werken der Weltliteratur. Zum anderen mußte Salles Eier beweisen, um nach der Jahrmarkterei um die Rechte zwischen Coppola, Godard und Van Sant doch noch in die Sporen zu steigen und diesen Film zu machen, so wie er ihn machte: mit starken (Landschafts-)Bildern, detailgetreu in Habitus und Dekor, mit Mut zur Lücke, was die Zitierfreude angeht, und mit passenden jungen Gesichtern beim Cast – wobei die alten auch geradezu ideal besetzt sind, zum Beispiel hallt Viggo Mortensens exzentrische Performance als Old Bull Lee ergo Burroughs lange nach. Diese Verfressenheit aufs Leben, diese Getriebenheit einer scheinbar rastlosen Jugend in verqualmten Bars und schmutzigen Betten, dieses kurze Innehalten auf prächtigen Baumwollplantagen kommen dem Geist von Kerouacs „Mußt-Du-gelesen-haben“-Roman tatsächlich sehr nahe. Die Typen haben auch hier – beim Tanz, beim Schreiben, beim Saufen, beim Labern und beim Sex – diesen kaum erklärbaren Rhythmus, dieses standhaft Taumelnde, diese O-beinige Potenz.

Wer nun dem Film eine gewisse Bruchstückhaftigkeit, vielleicht sogar Fahrigkeit und Hatz vorwirft, der hat’s verpaßt, der bleibt leider draußen, denn genau um diese Rastlosigkeit und dieses Am-Leben-Besaufen einer Generation, deren Kindheit und Jugend von Kriegen und immer wieder aufkeimendem Rassismus und Intoleranz orchestriert wurden, geht es doch. Und für alle die, die sich noch heute kopfschüttelnd abwenden über eine – von mir aus – maßlose Jugend, denen sei beruhigend versichert: An Euch hat Kerouac damals wirklich nicht gedacht.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.