Noch keine Bewertung

Out in Ost-Berlin

Von „Tripperburg“ und „Pflaumenbaum“

Natürlich ist der Scheitelpunkt der Sättigung längst erreicht. Das, was „Wende“ genannt wird, ist über 24 Jahre her, die DDR existiert weiter in den Seelen ihrer ehemaligen Bürger, beim flüchtigen Blick der Besserwisser in den Rückspiegel oder im lächelfreien Stasi-Grau sich brisant gebender Fernsehserien. Das ist nicht zu ändern. Dokumentarfilme können da noch immer die wenigen vorhandenen Bedarfslücken schließen, wenn sie dem Kino-Anspruch mit originellen Ideen oder schlicht einem Thema, das wirklich „anhebt“, genügen.

OUT IN OST-BERLIN schafft es nur bedingt. Dafür unterscheidet er sich zu wenig von schier endlosen TV-Sendungen mit Stempel „ … in der DDR“, die gern von ostdeutschen Heimatsendern ko-finanziert werden. Daß er nicht zum Waage-Spiel zwischen den Systemen verkommt und sich fast vollständig den gesellschaftspolitischen Realitäten im Heute verschließt, ist angenehm. Denn es wären andere Fragen zu stellen. Das „Out“ im Titel verweist indes auf den größten Vorzug, den Jochen Hick und Andreas Strohfeldt im Vergleich zur im Vorjahr gestarteten, sehr schwachen Doku UNTER MÄNNERN – SCHWUL IN DER DDR bedienen: Es geht um Schwule, aber auch um Lesben. Ausgewogenheit zu versuchen, war den Filmemachern ein sichtbares Anliegen. So kommen Peter, Eddy, Jürgen, Klaus und Christian zu angerissenen Porträts, aber eben auch Marina, Marinka und Bettina. Das mit „Ost-Berlin“ ist dabei eine kaum haltbare Eingrenzung, der allein schon die Biographien der 13 Protagonisten widersprechen.

13? Das klingt nicht nur viel, das ist es auch. Aus der Tiefe ist da kaum etwas zu holen, weil sich die Regisseure zudem für einen zwar geschickt geschnittenen, munter illustrierenden Archivmaterial-Mix aus Privat-Super8, Fotos und offiziellem Nachlaß entscheiden, sich in den inszenierten Gesprächssituationen aber zu unentschlossen zeigen. Seltene wirklich innige Momente berühren – und verweisen gleichzeitig nur auf Potentiale, sich aus der reinen Information über „Tripperburgen“ und „Pflaumenbäume“, „Terrorlesben“, „Verzauberte“ und evangelische Arbeitskreise erheben zu können.

Schade ist das, weil beispielsweise mit Jürgen Litfin ein heute 76jähriger dabei ist, dessen Bruder der erste Mauertote war und danach öffentlich als schwul diffamiert wurde, ohne es zu sein. Hier wie an anderen Stellen müßte OUT IN OST-BERLIN ganz anders aufleben.

D 2013, 93 min
FSK 12
Verleih: déjà-vu

Genre: Dokumentation, Schwul-Lesbisch, Schicksal

Regie: Jochen Hick, Andreas Strohfeldt

Kinostart: 09.01.14

[ Andreas Körner ]