Originaltitel: PERFECT DAYS

D/J 2023, 125 min
FSK 0
Verleih: DCM

Genre: Drama, Poesie

Darsteller: Koji Yakusho, Tokio Emoto, Arisa Nakano, Aoi Yamada, Yumi Aso

Regie: Wim Wenders

Kinostart: 21.12.23

2 Bewertungen

Perfect Days

... mit netten Kassetten

So architektonisch reizvoll die hier gezeigten neuen öffentlichen Toiletten in Tokio von außen auch sein mögen, drinnen werden sie trotzdem dreckig. Achtlose Menschen hinterlassen Müll und anderes, das unerwähnt bleiben soll, sonst fängt dieser Text noch an zu riechen. Wim Wenders nennt diese stillen Örtchen sogar Tempel. Für sie und diesen wunderbar sachten Film ist der Bekenner-Fan der japanischen Hauptstadt dorthin zurückgekehrt. Er hatte Heimweh.

Hirayama macht den Dreck weg. Morgens, wenn Tokio noch dämmert, steht er in seiner bescheidenen, sehr aufgeräumten ebenerdigen Wohnung auf, geht nach draußen, holt Luft gen Himmel, zieht eine Büchse aus dem nahen Getränkeautomaten, setzt sich in seinen Kleinwagen, schiebt eine Kassette ein und fährt zur Arbeit. Man könnte anfangs denken, er sei stumm, denn mit seinem jungen Kollegen Takashi „spricht“ er zunächst nur über Geräusche. Worte sind überbewertet, wird sich Hirayama denken. Und stören die Konzentration aufs Wesentliche wie Gedanken, Demut, Tagwerk und das Licht zwischen den Ästen der Bäume, das er nach einem ritualisierten Mittagessen unterwegs und der Sitzdusche im gleichsam spektakulären öffentlichen Bad fotografiert – mit Kleinbildkamera, analog, versteht sich.

PERFECT DAYS heftet sich wenige Tage an Hirayamas Fersen, folgt ihm beobachtend und sortiert sich in Szenen seiner Routine. Daß dieser reife Mann durchaus eine Vergangenheit hat, ist klar, kurz nur blitzt sie aber auf, als seine Nichte Niko in der Gegenwart bei ihm Unterschlupf sucht. Grandios ist, daß Wenders jetzt nicht das große Besteck herausholt, in Reflexionen und Umbrüche kippt, sondern die unbestechliche Ruhe dieser so sanften Erzählung beibehält. Kein Wunder, gerät doch auch Onkel Hirayama nicht aus den Fugen, redet nur etwas mehr und bindet Niko einfach in seine Tage ein, auf daß sich die Dinge richten mögen. So, als würde er die Zeilen des Otis-Redding-Songs „Sittin’ On The Dock Of The Bay“, der neben anderen von Patti Smith, den Kinks, Rolling Stones, Them und – fast zu offensichtlich – Lou Reeds „Perfect Day“ aus dem Plastikkäfig der Kassetten scheppert, für bare Münze nehmen. Nur daß er eben keine Zeit verschwendet, sondern sie nutzt. Für sich.

Wenders kann und will beides, fiktional und dokumentarisch. Nach ANSELM nun PERFECT DAYS – je einen pro Jahrgang und beide so richtig schön ... hatte er noch nie.

[ Andreas Körner ]