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Rachida

Angst ist menschlich. Mut auch.

Rachida flieht vor einem Trauma. Die junge Lehrerin wurde von Terroristen bedroht und niedergeschossen, als sie sich weigerte, eine Bombe mit in die Schule zu nehmen. Sie überlebt. Ihre Mutter bringt sie weg aus Algier, ins Haus der Tante. Ein sicherer Ort, abseits des Hasses und der Gewalt. Rachida verläßt den steinernen Innenhof des Hauses nicht und achtet auf jedes Geräusch. Ihre Angst heilt nicht so schnell wie ihre Verwundung. Werden zwei alleinstehende Frauen in einem Dorf nicht Verdacht erregen? Doch ihre Mutter gibt nicht auf, sie zu ermutigen. Vorsichtig macht Rachida erste Gehversuche, aufmerksam beäugt von den Bewohnern. Und da sind sie schon, die unauffälligen Männer - mit den Revolvern in der Hosentasche. Schußgefechte gewittern durch die Nacht. Alle Bewohner stellen ihre Lampen ab, um nicht entdeckt zu werden. Über die Dächer hinweg rätselt man über die Gewehrmarke, und ein kleines Mädchen spaziert schlafwandlerisch durch die Straßen und betrachtet den Mond. Sie ist die Tochter eines Terroristen.

Flucht ist unmöglich, der Bürgerkrieg ist immer schon da. Der Terror lebt mitten unter den Bewohnern. Je mehr Rachida das versteht, desto mutiger wird sie. Sie tritt eine neue Stelle als Lehrerin an, wird gebraucht im Dorf. Doch die Bedrohung nimmt zu. Eines Tages werden Lämmer geschlachtet, für eine Hochzeit. In der Nacht unterbricht Wolfsgeheul die Feierlichkeiten, das von Menschen stammt.

Die Regisseurin Yamina Bachir Chouikh hat sich ein schwieriges Thema für ihr Spielfilmdebüt gewählt. Und daß sie dieses in Algerien realisieren konnte, ist fast ein kleines Wunder. Das Trauma des Bürgerkrieges, die Alltäglichkeit des Terrors, als kollektives und zugleich individuelles Erlebnis. Der Film besticht durch seine konsequente Schlichtheit und Alltagsnähe.

Nicht die Gewalt ist das Thema, sondern das Leben der Menschen mit der Gewalt. Und das läßt durchaus auch Platz für hoffnungsvolle und poetische, ja pittoreske Momente. RACHIDA ist aber auch ein Film über Frauen in Algerien. Im Mittelpunkt stehen zwei moderne Frauen, Tochter und Mutter, die ihr Leben selbst in die Hand nehmen und bestimmen wollen. Damit haben sie es schwer genug. Doch in Zeiten des terroristischen Fundamentalismus wird es ein Kampf gegen die Ohnmacht und die Angst, Opfer zu werden. Diese Entwicklung kulminiert in der Entführung der Braut von ihrer Hochzeit. Was bleibt, ist immer noch der Mut, Filme zu drehen wie diesen.

Originaltitel: RACHIDA

Algerien/F 2002, 100 min
Verleih: Kairos

Genre: Drama

Darsteller: Ibtissem Djouadi, Bahia Rachedi, Rachida Messaouden

Regie: Yamina Bachir Chouikh

Kinostart: 12.02.04

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...