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Sommer ’04

Fünf Personen suchen ein Verhältnis

Es war Winter. In Stefan Krohmers Regiedebüt SIE HABEN KNUT war eindeutig Winter - das Frösteln der Anti-AKW-Aktivisten in den 80er Jahren, die statt der revolutionären Glut nur mehr Wollpullover mitbekommen hatten. In seinem neuen Film, wieder nach einem Drehbuch von Daniel Nocke, ist nun Sommer. So was von Sommer - unter der Sonne, auf dem Segelboot, in den Gefühlen.

Eine Feriengesellschaft verbringt die heißen Tage in Norddeutschland. Miriam und André, ein kultiviertes Paar, das alles wahnsinnig locker nimmt. Sohn Lucas, ein Teenager-Rätsel mit Buch vor der Nase, dessen zwölfjährige Freundin Livia, die wie ein namensverwandtes Öl die Gespräche am Laufen hält. Wie 14 sieht die Kleine aus, und manchmal, wenn sich der Blick verklärt, mindestens wie 18. Der Amerikaner Bill, eine Urlaubsbekanntschaft von kalifornischem Äußeren und ebensolchem Akzent, verbringt viel Zeit mit ihr. Ein bißchen zu viel, wie Miriam befürchtet, die ja doch irgendwie die Verantwortung hat. Ob es ihr bei den Nachfragen aber wirklich um das Mädchen geht, läßt sich immer schwerer sagen. Spätestens in Bills Bett kollidieren Interessenlagen.

Wären diese fünf Figuren nicht so furchtbar lässig im Sprechen und so ekelhaft träge in ihrer seelischen Entzündbarkeit - es hätte ein herrlich morbider Filmsommer werden können. So ein französischer, bei dem die Sonne Leiber und Gewissen zum Stinken bringt. Das gleißende Licht, die trügerisch-idyllischen Bilder mag er haben, ebenso wie die Lust an moralischen Unschärfen. Doch der Funke, den es für explodierende oder doch mindestens angesengte Tabus braucht, will nicht überspringen.

Die Schlei-Ostsee-Region, sicher kein Mittelmeer und noch weniger ein Atlantik, trifft keine Schuld - ein angemessen aus der Zeit gefallenes Setting. Für Irritationen sorgt hingegen die ausgestellte Beiläufigkeit, mit der sich hier Eltern und Kinder, nymphenhafte Lolita, Groschenroman-tauglicher Selfmade-Man und begehrende Frau gegenüber stehen, begleitet von seltsam verhaltenen Dialogen, die aus der Gestelztheit selten herausfinden. Während die Figuren im Winter, bei KNUT, in all ihrer Spießigkeit zu fassen waren, geht der Griff hinter die Unverbindlichkeit dieses Sommers mehr oder weniger ins Leere.

D 2006, 97 min
Verleih: Alamode

Genre: Drama, Erwachsenwerden

Darsteller: Martina Gedeck, Peter Davor, Robert Seeliger, Svea Lohde, Lucas Kotaranin

Stab:
Regie: Stefan Krohmer
Drehbuch: Daniel Nocke

Kinostart: 19.10.06

[ Sylvia Görke ]