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Stille Sehnsucht – Warchild

Auf der Suche nach dem verlorenen Kind

Wenn sich der Vorhang öffnet und ein fröhliches Kinderlied erklingt, ist das ein schöner Beginn für jeden Film. Es kann allerdings auch ein beklemmender Einstieg sein. Im vorliegenden Fall schaut man nämlich parallel dazu auf einen brennenden Bus, und das Lied verstummt abrupt. Wir sind in Bosnien, zu Zeiten des Krieges.

Einige Jahre später – das Land versucht, nach den Schrecken neu zu beginnen. Senada, eine junge Frau, hat ihre Tochter Aida in den Kriegswirren verloren, hofft gegen alle Vernunft aber immer noch verzweifelt, sie wäre am Leben. Tatsächlich stellt sich heraus, daß Aida vor zehn Jahren als Baby nach Deutschland kam, dort adoptiert wurde und nun Kristina heißt. Auf illegalen Wegen gelingt Senada die Einreise, sie fordert ihre Tochter zurück. Doch Aida/Kristina lebt glücklich im Schoß der neuen Familie, und wie eine patente Mitarbeiterin des Jugendamtes weiß, müssen auch die Rechte der Adoptiveltern berücksichtigt werden ...

Vom etwas unglücklichen deutschen Titelzusatz abgesehen, verzichtet Senadas Odyssee konsequent auf Kitsch und potentiell im Sujet beheimatete überdramatische Sequenzen. Selbst das alles umrahmende Kriegsthema wird lediglich während einzelner Dialogzeilen angerissen. Der Fokus ruht ausschließlich auf dem Leid einer Mutter, der individuellen humanen Tragödie, noch verstärkt dadurch, Senada niemals als Heldin ohne Fehler zu zeichnen. Hier agiert ein echter Mensch inklusive Schwächen, Macken und Kanten.

Ein beeindruckender Ansatz, welcher allerdings das vorhandene Negativpotential nicht völlig eliminiert. In meisterhaften Szenen findet Regisseur Christian Wagner nämlich mit "Stabat Mater Dolorosa" zu einem treffenden akustischen Leitmotiv oder läßt Kristinas neue Mutter Gänsehaut-Sätze wie "Ich war da, als es ihr schlecht ging!" sagen, verzichtet insgesamt jedoch zu nüchtern auf Emotionen. Darum wirkt STILLE SEHNSUCHT streckenweise seltsam distanziert, steril und kühl, wie ein reiner Lagebericht, dem man zur Rolle eines Beobachters verdammt Beachtung schenkt. Letztlich bleibt deshalb ein Film, welchen man gern in sich aufnehmen möchte, der dies aber ziemlich schwer macht.

D/Slowenien 2006, 90 min
Verleih: Movienet

Genre: Drama

Darsteller: Labina Mitevska, Senad Basic, Katrin Sass, Crescentia Dünßer, Otto Kukla

Regie: Christian Wagner

Kinostart: 09.11.06

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...