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The Grandmaster

Großmeister-Kino

Über zehn Jahre hat es gedauert von der ersten Idee bis zur Vollendung dieses Films. Vier Stunden beträgt dessen ursprüngliche Schnittlänge. Für den chinesischen Markt wurde die auf 135 Minuten gekürzt. Für den westlichen um eine weitere knappe Viertelstunde. In dieser Fassung eröffnete Wong Kar-wais THE GRANDMASTER die letzte Berlinale. Und erntete weitgehend lediglich höfliche Kritiken. Worüber hier mal – höflich – der Mantel des Schweigens gehüllt sei.

Entpuppt sich doch der Film von der ersten Einstellung an als reine Virtuosität. Eine Kampfkunst-Meditation als Kinokunst-Epos. Dessen zeitlich-historischer Bogen spannt sich vom Jahre 1936 bis in die 50er hinein. Wie ein Fächer öffnet sich dabei die Handlung. Zeigt Figuren und Figurationen, Jahre und Jahreszeiten, Muster und Farben und eine Geschichte, die in ihrer Grundstruktur erst einmal nur Variation klassischsten Martial-Arts-Genres ist: Ein alter Kung-Fu-Großmeister, der sich zurückziehen will. Ein Kämpfer mit Kodex, der der Nachfolger werden soll, und ein Kämpfer ohne Skrupel, der das verhindern will. Nicht zu vergessen: die schöne Tochter des Großmeisters.

So weit, so bekannt. Wong Kar-wai nun hebt das auf eine Ebene, die dramaturgisch geradezu kühn gebaut ist, in der Perspektiven wechseln, Zwischentitel die Akte strukturieren, in der Chronologie vor- und zurückgesprungen wird. Das ist eine Montage purer Melodie und Rhythmik. Halb Kammermusik, halb große Oper. Und das korrespondiert mit den Kämpfen: das Detail der Nahaufnahme (Welch’ Ballett der Hände!) und der Blick aufs Ganze (Welch’ Choreographien entfesselter Körper!). Grandiose Wechsel zwischen Beschleunigung und Verlangsamung. Einmal gar beides zeitgleich, beim Zweikampf in Slow Motion vor einem in Echttempo rasenden Zug.

Atemberaubende Stilisierung, die nie zum Selbstzweck gerät. Dieser Film wirkt, als wolle er das Kung-Fu selbst porträtieren. Dessen Bewegungen zu Kinobewegungen absorbieren. Mit Kamera, Schnitt, Lichtsetzung das Adäquat zum Ballett der Hände finden. Daß die Geschichte des Kämpfers mit Kodex die des legendären Ip Man, des späteren Lehrers Bruce Lees, ist, mag ein weiteres Indiz dafür sein.

Daß THE GRANDMASTER darüber hinaus eine betörend traurig-schöne Liebesballade (mit den zudem betörend schönen Hauptdarstellern Zhang Zi-Yi und Tony Leung) ist, sollte dann noch all jene ins Kino locken, die Martial-Arts-Filmen sonst nicht so viel abgewinnen können. Es lohnt sich.

Originaltitel: YI DAI ZONG SHI

HK/China/F 2013, 123 min
FSK 12
Verleih: Wild Bunch

Genre: Eastern, Drama, Liebe

Darsteller: Tony Leung, Chiu Wai, Zhang Zi-Yi

Regie: Wong Kar-wai

Kinostart: 27.06.13

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.