Originaltitel: VICKY CRISTINA BARCELONA

USA 2008, 96 min
FSK 12
Verleih: Concorde

Genre: Komödie, Liebe

Darsteller: Penélope Cruz, Scarlett Johansson, Javier Bardem, Rebecca Hall, Patricia Clarkson

Regie: Woody Allen

Kinostart: 04.12.08

7 Bewertungen

Vicky Cristina Barcelona

Woody Allen besticht durch lässige Sommerliebelei, und Penélope hat den Teufel im Leib

Was sie wirklich ausmacht, läßt sich eigentlich kaum beschreiben. Sie erzeugen ein tiefes Gefühl, irgendwo zwischen schulterklopfender Kumpanei und fasziniertem Staunen, zwischen nahem Mensch-kenn-ich-doch und fern- und aufschauender Bewunderung. Dieses Gefühl lösen nur ganz wenige aus, nur echte Leinwandgöttinnen eben. Penélope Cruz ist definitiv eine. Seit VOLVER sicherlich, ganz zweifelsfrei seit ELEGY und nach diesem luftig-lockeren Ausflug Woody Allens in iberische Gefilde ohnehin.

Penélope ist Maria Elena, mit Haut und Haar, eine fast archetypisch schöne spanische Frau in diesem so wunderbar geratenen, mit leichthändigem Pinselstrich hingetupften Sittengemälde. Und wer Augen im Kopf und ein Herz in der Brust hat, weiß vom ersten Moment an, warum die Cruz ohne Wenn und Aber eine und vielleicht derzeit die Leinwandgöttin ist. Dabei taucht sie erst nach einer knappen Stunde im schon aufgeheizten Geschehen auf. Doch was macht sie? Sie schnappt sich den gesamten Film, sie reißt ihn an sich, an ihren wildtobenden Busen, wo ein leidenschaftliches Herz bummert, das nicht zur Mördergrube taugt. Diese Maria Elena wird von der Cruz als das gespielt, was sie ist: ein schwarzer Teufel, aufbrausend, leidenschaftlich, sexy, wild, ungestüm, fordernd, provokant, verletzt und gehörig verletzend - furios eben, und das im Wortsinn. Wo sie auftaucht, wird es laut, da fliegen die Fetzen, da bleibt kein Stein auf dem anderen, da kracht auch schon mal Schrot in die zarten Hände von ahnungslosen Amerikanerinnen. Gleich um zwei dieser Art und noch dazu titelgebend geht es schließlich in diesem Film, zwei Grazien, die eine blond und hübsch, die andere schwarz und nicht minder adrett, zwei, die jedoch unterschiedlicher nicht sein könnten und dennoch auf die gleichen, nicht ganz uncharmanten, aber letztlich doch flott durchschaubaren Methoden eines elendigen Verführers reinfallen.

Juan Antonio, so heißt er, ist der Ex von Maria Elena, den Knie erweichenden Schlafzimmerblick trägt er ziemlich bewußt. Dieser Don Juan ist Künstler, hat jede Menge freche Sprüche drauf, wie diesen, warum man nicht gemeinsam nach Oviedo fliege, um gut zu essen, Wein zu trinken, Liebe zu machen. Vicky ist empört, Cristina begeistert. Aber die steckt nach Vickys Meinung ohnehin zumindest rein geistig noch tief in der Pubertät. Und in der Provinz kommt dann doch alles anders. Es wird also Vicky sein, die sich als erste übers Bärenfell rollt, wir treffen Juan Antonios alten Vater und hören von ihm, daß er noch immer erotische Träume hat. Von Maria Elena! Doch die Reise muß erst zurück nach Barcelona gehen, um Platz zu machen, die Bühne zu räumen, und zack! schon hat sich die Cruz diese fabelhafte Komödie unter den Nagel gerissen.

Weil aber niemand Geringeres als Woody Allen auf dem Regiestuhl Platz genommen hat, gerät dieser fabelhafte Spaß dennoch nicht zur aus dem Ruder laufenden One-Woman-Show, zu gut sind auch die anderen Mimen, zu pointiert, temporeich, regelrecht entspannt wird von einem Sommer in Europa erzählt. Reigenhaft und doch knisternd, wie ein Tanz auf dem Vulkan, eine Sommerliebelei auf dem Pulverfaß - weil von hohen Erwartungen, naiven Schwärmereien und noch nicht verkrusteten Verwundungen erzählt wird. Und es wimmelt von charmanten Weisheiten in diesem Film. So erfahren wir, daß nur unerfüllte Liebe romantisch und der schönste Kuß noch immer einer unter Frauen ist. Und in jeder Pore von Woodys Spätwerk lodert all das auf, wofür man das Kino liebt: pure Leidenschaft. Auch gerade dann, wenn die Cruz nachts in Latzhose und beinahe barbusig wie ein angeschossenes Tier den Pinsel über die Leinwand fliegen läßt, wenn sie auf Spanisch flucht, raucht, trinkt, vor Wut beinahe spuckt ...

Genug geschwärmt? Was soll’s, denn schließlich kommt in Woody Allens unstreitbar lässigstem Film einfach all das zum Tragen: das große Talent einer Komödiantin, das pulsierende Temperament einer Spanierin aus Fleisch und Blut und die Blüte einer schönen Frau.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.