Originaltitel: L’ENFER

F 2005, 102 min
Verleih: Tobis

Genre: Drama, Psycho

Darsteller: Emmanuelle Béart, Karin Viard, Marie Gillain

Regie: Danis Tanovic

Kinostart: 29.06.06

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Wie in der Hölle

Kieslowskis schweres Erbe

Die Hölle hat viele Gesichter, und die offenbaren sich bereits auf Erden. An ein Szenario von Bosch erinnert es, wenn sich die nackte Kreatur eines Kuckuckskükens instinktiv gegen die fremden Eier stemmt und sie in saurer Arbeit über den Nestrand wirft. Mit diesem symbolischen Auftakt begibt sich der Regisseur Danis Tanovic, der die Hölle bereits so treffsicher in seiner preisgekrönten Kriegsgroteske NO MAN’S LAND verortet hat, erneut auf die Suche nach ihr. Doch nicht in Bosnien, sondern im gepflegten Paris, nicht zwischen schwitzenden und blutenden Männern im Schützengraben, sondern unter Schwestern aus guten Verhältnissen.

Drei Schwestern selbstverständlich, die unter Liebesentzug und Schuldgefühlen leiden. Emmanuelle Béart, die Expertin für sinnliche Präsenz, spielt diesmal eine Ehefrau, die nicht mehr begehrt wird, und die demütigende Versuche unternimmt, um ihren Mann beim Fremdgehen zu überführen. Fast eine Umkehrung ihrer Rolle in Chabrols gleichnamigem Film L’ENFER. Die kleine Schwester, Karin Viard, fordert die Liebe eines Professors ein, mit dem sie eine Affäre hatte, und klammert sich an das Tragische in einer ungöttlichen Zeit. Und die verhuschte Große, Marie Gillain, versucht einen Ausbruch aus den Zwängen ihrer Selbstlosigkeit.

Das Drehbuch stammt von Krzysztof Kieslowski und gehört zu einer Trilogie über Himmel, Hölle und Fegefeuer, die er nicht mehr verwirklichen konnte. HEAVEN wurde von Tom Tykwer verfilmt. Nun also die Hölle. Eine schwere Herausforderung, nicht nur, weil viel Pathos mitschwingt, sondern auch, weil die Verbindung zwischen den Handlungssträngen, den drei Frauenschicksalen, über eine Enthüllungsgeschichte mit zweifelhaftem Erkenntnisgewinn hergestellt wird.

Tanovic überzeugt im Szenischen, wenn es darum geht, Spannung und Doppelbödigkeit eines Momentes auszuleuchten. Doch er widersteht nicht, die Klischees noch zu unterstreichen: Spielbüchsenmusik als Anklang des Kindheitstraumas, kaleidoskopische Bilder als Verweis auf die Verstrickungen des Daseins, Eheauseinandersetzungen, an deren Ende immer eine Frau am Boden liegt und vier runde Kinderaugen um die Ecke spähen. So leiden die Figuren weniger am Schicksal, als vielmehr an symbolischer Überfrachtung.

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...