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You Drive Me Crazy

Fahrschule als Culture Clash

Bei einer Umfrage, an welchem Ort man am meisten über die Mentalität eines fremden Landes erfährt, wären sicher Marktplatz, Restaurant oder Kneipe als Antworten ganz oben dabei. „Im Auto“ läge wohl den wenigsten sofort auf der Zunge, allerdings erfährt man in der Tat viel über ein Land anhand seiner Fahrkultur. Diesen etwas abwegigeren Gedanken hatten zum Glück die Regisseurinnen Andrea Thiele und Lia Jaspers und begleiten in ihrer sehr unterhaltsamen Dokumentation drei Auswanderer bei den ersten Fahrversuchen auf den Straßen ihres neuen Lebens.

Mirela hat mit Mitte 30 ihren Job in der Modebranche in Deutschland an den Nagel gehängt, um ihr eigenes Fashionlabel zu gründen. Auf der Suche nach neuen Geschäftspartnern hat es sie nach Mumbai verschlagen, wo ihr schnell die von der Autovermietung gestellten Fahrer derart auf die Nerven gehen, daß sie selber fahren will. Dafür muß sie aber erst einen Führerschein machen, der auch in Indien gilt. Einen Führerschein braucht auch der Amerikaner Jake, den die Abenteuerlust nach Tokio gebracht hat, wo er als Grafikdesigner arbeiten will. Doch alle leidenschaftliche Neugier an der Fremde kann ihn nicht auf das vorbereiten, was ihn in der japanischen Fahrschule erwartet. Die junge Koreanerin Hye-Won ist ihrem Mann nach München gefolgt, wo ihr strenger deutscher Fahrlehrer ihr sehr schnell vermittelt, daß wir Deutschen uns auch in Sachen Fahrkultur für Weltspitze halten.

Auswandergeschichten mag man mittlerweile tagtäglich lauwarm im Fernsehen serviert bekommen, die drei Protagonisten dieser kurzweiligen und fein beobachteten Doku sind ein ganz anderes Kaliber. Auch hier wird zwar an der einen oder anderen Stelle dramaturgisch etwas nachgeholfen, aber die Glaubhaftigkeit und Einzigartigkeiten der Hauptfiguren werden davon kaum beeinträchtigt. Eine „wahre Komödie“ nennen die Macherinnen ihren Film, absolut passend angesichts der vielen urkomischen Situationen, die jeder einstige Fahrschüler wiedererkennt, welche aber durch die kulturellen Mißverständnisse immer wieder ins Absurde gesteigert werden.

Reingehen lohnt sich also, vielleicht auch schon um der überraschenden Erkenntnis willen, daß die Damen und Herren von TÜV und DEKRA gegen die Prüfkommissionen in Tokio die reinsten Menschenfreunde sind.

Originaltitel: AND WHO TAUGHT YOU TO DRIVE?

D 2012, 84 min
FSK 0
Verleih: Real Fiction

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Andrea Thiele, Lia Jaspers
Drehbuch: Andrea Thiele, Lia Jaspers

Kinostart: 18.04.13

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...