D 2019, 92 min
FSK 0
Verleih: Farbfilm

Genre: Kinderfilm, Drama, Erwachsenwerden

Darsteller: Yoran Leicher, Sobhi Awad, Anna König

Regie: Sarah Winkenstette

Kinostart: 12.03.20

1 Bewertung

Zu weit weg

… vom jungen Publikum

Wollen Familienfilme gesellschaftspolitisch relevante Sujets verhandeln, läuft das selten wirklich glatt, sondern häufig in Richtung moralischer Drohgebärde. Exemplarisch steht hier dafür, wie eine Lehrkraft der Klasse ihren neuen Mitschüler Tariq vorstellt – der Information, daß er aus Aleppo stamme, folgt ein pädagogisch inbrünstig geraunter Nachklapp: „Ihr wißt, was das bedeutet!“

Weil Buch und Regie offenbar die kleinen Zuschauer gleichsam total im Bilde glauben, genügt knappes, quasi auffrischendes Erwähnen als bekannt vorausgesetzter Hintergründe, Bürgerkrieg etwa, bevor es in die Vollen geht: Tariq vermißt seinen auf der Flucht verlorenen Bruder, die Suche nach ihm wird zum sowieso ausstehenden schulischen Medienprojekt (!) erklärt, ein Abwasch sozusagen.

Streberin Emily übernimmt die Koordination, selbst Rüpel Elton – moderne Namensgebung, die ein kurzes Schmunzeln entlockt, leider so ziemlich das einzige – zieht mit. Und natürlich kämpft an vorderster Front Tariqs ebenfalls unlängst zugereister Kumpel Ben, dessen verschlafenes Heimatkaff gerade dem Braunkohletagebau weicht. Flüchtlingsfrage und Klimakrise, die beiden derzeit am meisten spaltenden Inhalte, unter einen erzählerischen Hut gebracht, getragen von klagender Außenseiterballadenmusik, da Ben nicht bloß auf dem Fußballplatz ins Abseits gerät: ergo alles drin, was Anspruch generiert.

Grundsätzlich nun wahrlich kein Grund zur Ablehnung, fraglos soll und muß taugendes Kinderkino Tiefen ausloten, statt vor quietschbunter Kulisse Heile-Welt-Gesänge aufzuführen. Aber wenn melancholische Startversuche schwierigen Erwachsenwerdens irgendwann bleierner Schwere weichen, und der gespitzte Zeigefinger in Didaktik rührt, kippt ein gewiß zugewandt gedachter Ansatz ins andere Extrem: Beispielhaft konserviert starke Kameraarbeit die deprimierende Atmosphäre eines zum menschenleeren Tode verurteilten Ortes nachdrücklichen Blickes. Allerdings setzt das Skript, ganz auf Nummer sicher, noch Ben traurig vor eine Großbaustelle, und der emotionale Effekt bricht völlig überfrachtet zusammen.

Weswegen zwei wunderbare Nachwuchsdarsteller, eher alleingelassen, nie richtig erfolgreich gegen den gut gemeinten, jedoch unfokussierten Themen-Mix anspielen können. Dem es zumal kaum gelingen dürfte, sein junges Publikum langfristig zu fesseln, geschuldet überschaubarem Unterhaltungswert.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...