Bild: IM LETZTEN SOMMER

28. Französische Filmtage

22.11.–29.11.2023

Passage

www.franzoesische-filmtage.de

Mit neuem Elan volle Kraft voraus

Ein Blick auf die 28. Französischen Filmtage

Mit 28 werden manche Leute schon etwas stiller, ersehnen Rückzug und Ruhe. Offensichtlich aber keine das Team der Französischen Filmtage umtreibenden Wünsche, welches nach schwierigen Zeiten wieder richtig Gas gibt, ein Programm offeriert, dessen Fülle wahrlich beeindruckt.

Hochkaräter funkeln da an allen Ecken, um jetzt nur einige zu erwähnen: MONSIEUR BLAKE ZU DIENSTEN vereint John Malkovich und Fanny Ardant vor tragikomischem Hintergrund, thematisiert schwerem Verlust folgenden Neubeginn. Juliette Binoche serviert als GELIEBTE KÖCHIN eine brillant zurückhaltende Darbietung, dem emotional tiefgründig getupften Film voller sanfter Töne angemessen. Weil Mutationen Menschen zu Tieren verwandeln, muß Romain Duris seine Frau retten, das Fantasy-Drama heißt passend ANIMALIA. Daß die einzige Tochter aus aristokratischem Haus nicht standesgemäß heiraten will, versetzt ihren Eltern heiße Schocks, das Chaos steht vor der Tür, Christian Clavier läuft zu Bestform auf, der Zuschauer spricht OH LA LA! Und Adèle Exarchopoulos’ mimische Bandbreite ist schließlich dreifach zu bewundern.

Die Regiestühle sind teils ebenfalls prominent besetzt, beispielsweise beleuchtet Catherine Breillat, was IM LETZTEN SOMMER geschah, während Anwältin Anne sich ihrem Stiefsohn zuneigte. Thomas Bidegain hingegen läßt in SUDDENLY ein Paar auf einer Insel stranden – die geplante Urlaubsreise gerät zum Kampf ums Überleben. Außerdem widmen sich zwei Hommagen spannenden Namen, den von Agnès Varda hat man sicher bereits vernommen. Die „Grand-mère de la Nouvelle Vague“ verstarb 2019, verzeichnete über 40 Schaffensjahre, entsprechend umfangreich ihr Œuvre, aus dem fünf Werke zur Ansicht und (Wieder-)Entdeckung gelangen, darunter das starke Frauenporträt VOGELFREI oder JANE B. ... WIE BIRKIN, Vardas Näherung an die Schauspiellegende.

Eher (leider!) bloß Fans bekannt sein dürfte andererseits Quentin Dupieux, ein dringend zu ändernder Mißstand, obwohl seine Klassiker WRONG oder RUBBER nicht zur Aufführung kommen. Blicke ins grandios verdrehte Hirn des Herrn werfen wir dennoch, wenn MONSIEUR KILLERSTYLE dem Plausch eines Serienmörders mit einer Lederjacke zuhört, sich REALITY um preiswürdige Schreie, permanenten Juckreiz und seltsames Videomaterial dreht, oder YANNICK den Theaterbetrieb satirisch aufs Korn nimmt.

Gleichsam vertreten der queere Film: Beim QueerBlick zeigt LE PARADIS, wie zwei jugendliche Inhaftierte füreinander entflammen, angesichts der Umstände eine echte Herausforderung. Daneben erinnert sich HÖR AUF ZU LÜGEN an eine lange vergangene Liebe. Dies soll hier einen kleinen Bogen zum fest verankerten „Déjà-vu“ schlagen, darin Gelungenes aufspüren, über das man nichts mehr sagen braucht, konkret 3 TAGE IN QUIBERON, MEIN FABELHAFTES VERBRECHEN sowie DIE EINFACHEN DINGE. Jüngeres Publikum erfreut traditionell die Cinéfête.

Neu lockt indes eine Reihe zur deutsch-französischen Freundschaft, präsentiert drei in beiden Ländern sehr präsente Stars: Romy Schneider (zu sehen in NACHTBLENDE), die zu ANATOMIE EINES FALLS persönlich anwesende Sandra Hüller und Franz Rogowski, Hauptdarsteller von DISCO BOY. Das Drama fand trotz Berlinale-Einsatzes bisher keinen deutschen Verleih, es bietet sich ergo eventuell die einzige Chance, es auf der Leinwand zu erleben. Kristin Klemann, Theaterleiterin des PLAYER-Partnerkinos Passage, meint: „Man sollte diese drei Filme als wichtigen Auftakt verstehen, den man zukünftig weiterspinnen kann. Daher freuen wir uns auf die kommenden Jahre.“ Dem gibt’s lediglich hinzuzufügen: wir auch!

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...