Editorial 09 2022

[ 01.09.2022 ] Ich liebe Polit-Thriller! Aber derartiges Personal kann sich echt kein Drehbuchautor ausdenken: Wir sehen einen Kanzler, der an schwerster Amnesie leidet, einen Justizminister, der als Jurist bumsfidel Grundrechte verhökert, eine Kulturministerin, die Antisemitismus durchwinkt und zur Rettung des unabhängigen Journalismus’ Steuermillionen genau an die Streber verteilt, die rot-grüne Politik brav beklatschen, eine Innen- und eine Verteidigungsministerin, die von Ahnungs- und Taktlosigkeit umzingelt sind, und schließlich einen Gesundheitsminister, welcher der sozialen Gesundheit im höchsten Maße abträglich ist. Ich dachte immer, ein verrückter Arzt in der unrühmlichen deutschen Geschichte wäre genug. Und am verhängnisvollsten: In diesem wüsten Plot sind wir Gerichten ausgeliefert, die sich mit haarsträubenden Urteilen auf Regierungsseite schlagen, statt uns vor der Übergriffigkeit des Staates zu schützen. Flankiert wird diese Skript-Phantasmagorie von einem ÖRR, der den sauberen Journalismus verriet, sich dem Vollzug der Beugehaft für säumige Zahler sicher sein kann und ein Sammelbecken von zu vielen Sendeanstalten ist, wo sich jeder in entsprechender Position nach Herzenslust bedienen kann. Wirklich: Würde so ein Wust an Stoff auf die große Leinwand finden, man dürfte zu Recht davon ausgehen, daß diesem Werk mindestens Unglaubwürdigkeit vorgeworfen würde.

Manch’ freundliche und ratsame, aber auch fordernde und gar drohende Stimme meinte, daß im PLAYER Politik nichts verloren habe. Ich stehe für Meinungspluralität über den März 2020 hinaus und sehe das anders, denn erinnert sei, daß bis vor kurzem Kinos in Willkür monatelang schließen mußten, und als sie wieder öffneten, wurde vielen kerngesunden Menschen der Zutritt verweigert. Ich schreibe am liebsten über Film, aber wir leben in Zeiten, in denen freiheitliche Einschränkungen sich auch auf unsere Erzählungen, Musik und Filme auswirken werden, wir taumeln von einem politischen Wortbruch zum nächsten, Nebelkerzen werden gezündet und Scheindebatten angezettelt, all das ist nicht zu verschweigen.

Selbstredend bleibt der PLAYER dem Kino verschworen, und natürlich ist jeder gut beraten, in diesen turbulenten Zeiten Zerstreuung im Kino zu suchen. Ich habe dennoch Verständnis, daß gerade in wirtschaftlich instabilen Zeiten für nicht wenige von uns jeder kulturelle Genuß gut durchdacht sein will. Ich möchte fest daran glauben, daß die Politik sich an den geleisteten Eid zum Wohl des Volkes erinnert und im Herbst nicht wieder in den evidenzfreien Raum verirrt, um Maßnahmen zu verordnen, die nur diese sich stetig vertiefenden Effekte haben werden: den einer irreparablen gesellschaftlichen Verwerfung und des kulturellen und wirtschaftlichen Ruins. Das kann keiner von uns wollen, völlig egal, wie unterschiedlich wir die Erschütterungen der vergangenen knapp drei Jahre bewerten.

Allen PLAYER-Lesern und Kinofreunden einen besonnenen Herbst wünscht

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.