Originaltitel: AFFEKSJONSVERDI
Norwegen/DK/D/S/F 2025, 133 min
FSK 12
Verleih: Plaion
Genre: Drama, Komödie
Darsteller: Renate Reinsve, Stellan Skarsgård, Elle Fanning, Inga Ibsdotter Lilleaas
Regie: Joachim Trier
Kinostart: 04.12.25
Das norwegische Kino hat in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit erhalten. Da war vor allem die OSLO-STORIES-Trilogie von Dag Johan Haugerud, in der man eine Art neuen Éric Rohmer erkennen konnte. Der bedeutendste norwegische Filmemacher der Gegenwart dürfte aber wohl Joachim Trier sein, seit er mit dem eher poppigen Jungliteraten-Drama AUF ANFANG die internationale Bühne betrat – vielversprechend, aber noch lange nicht reif. Seither kann man beobachten, wie er mit jedem Film wächst und seinen Figuren immer näherkommt.
In SENTIMENTAL VALUE versammelt er die emotional zersprengten Mitglieder einer Familie in einem alten Osloer Haus mit verzierten Holzbalken, oder vielmehr läßt er sie dort ein- und ausgehen. Gleich am Anfang stellt sich Teenager Nora in einem Schulaufsatz die Frage, wie wohl eine Familiengeschichte aus der Perspektive eines Hauses aussehen könnte, und beschreibt damit zugleich den ästhetischen Zugriff des Filmes. Allerdings ist Trier kein Formalist und setzt seine Idee eher spielerisch ein.
Aber zurück zum Haus: Das hat in über 100 Jahren viel erlebt, darunter auch die für Nora so schmerzhafte Trennung ihrer Eltern. Der Vater Gustav, ein auf seine Arbeit fixierter Arthouse-Regisseur, verschwand komplett aus dem Bildrahmen. Als Nora und ihre Schwester Agnes längst erwachsen sind, die eine Theaterschauspielerin, die andere Historikerin, kommen zur
Trauerfeier ihrer Mutter noch einmal alle zurück ins „traute“ Heim. Und da ist plötzlich auch er wieder: Gustav. Mit einem großen Auftritt übernimmt er das Feld. Und nicht nur das, er hat ein Drehbuch dabei, für einen neuen Film, sein lang erträumtes Comeback, und Nora soll die Hauptrolle spielen.
Man hat wahrscheinlich sofort ein Bild, wenn man weiß, daß Stellan Skarsgård den egozentrischen Vater spielt. Ein Mann, den man leicht als Arschloch abtun könnte, in dem Skarsgård aber so viele Facetten öffnet, daß man sich nicht wundert, wenn zumindest Agnes nicht die Tür vor ihm zuschlägt. Nora hingegen ist zu verletzt von diesem großen Abwesenden und neigt ohnehin zu Fluchtimpulsen. So wie Trier den Vater-Part für Skarsgård konzipiert hat, so hat er die Tochter-Figur für Renate Reinsve geschrieben, die er gewissermaßen selbst entdeckt hat. Für die Rolle in seinem letzten Film DER SCHLIMMSTE MENSCH DER WELT wurde sie in Cannes als „Beste Darstellerin“ ausgezeichnet.
Reinsve schafft es, die innere Zerrissenheit ihrer Figur mit großer Komik zu verbinden. In einer Szene zum Tränen lachen versucht die von Lampenfieber zerfressene Nora vor einer Aufführung vergeblich, aus dem Theater zu fliehen, um dann aber auf der Bühne – wie verwandelt – das Publikum zu bezaubern. Sie schöpft aus ihren tiefen Emotionsschichten, ohne sich selbst genauer zu kennen. Und eben das ist es, was auch Gustav in ihr sieht. Da Nora die für sie geschriebene Filmrolle ablehnt, holt er zunächst eine Hollywoodschauspielerin ins Boot, die auch in einer Krise steckt und etwas Neues sucht. Doch sie kriegt den Kern nicht zu fassen. Was denn diese Traurigkeit sei, fragt sie verzweifelt nach. Ist es die Ursache von allem oder das Symptom für etwas Tieferliegendes?
Damit formuliert sie die Grundfrage für Triers gesamtes Filmschaffen. Nicht umsonst spielen Depression und Selbstmord immer wieder eine Rolle – sei es in OSLO, 31. AUGUST oder LOUDER THAN BOMBS. Er ist ein Künstler, der sein Themenfeld beackert und daraus immer neue Ausdrucksformen gewinnt. Wiederkehrende Themen sind auch das verschlungene Verhältnis von Kunst und Leben und das, was wir von unseren Eltern und deren Eltern unsichtbar mit auf den Weg bekommen.
Noch nie allerdings hat Trier das alles so komplex und zugleich mit solcher Leichtigkeit verknüpft wie in SENTIMENTAL VALUE. Und zum ersten Mal scheint es auch so, als könne die Kunst selbst ein Ausweg sein aus unseren endlosen inneren Dramen und Miseren.
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...
Passage Kinos: 18:00, 20:45
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Schauburg: 19:15
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Schauburg: 16:00, 19:15
Passage Kinos: Im Original | OmU 18:00, 20:45 (Im Original | OmU)
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