D 2003, 90 min
Label: Sunfilm

Genre: Dokumentation, Poesie

Stab:
Regie: Byambasuren Davaa, Luigi Falorni
Drehbuch: Byambasuren Davaa, Luigi Falorni

Die Geschichte vom weinenden Kamel

Irgendwo in der Wüste Gobi: Eine Mongolin singt das abendliche Schlaflied. Es ist die Zeit der Kamelgeburten, überall haben sich neu entstandene Tierfamilien im Sand niedergelassen und lauschen zwischen den Dünen hallend klagenden Rufen - ein neugeborenes Fohlen, Botok, steht dort ganz allein, von seiner Mutter Ingen Temee abgelehnt und dem Verhungern nah.

Die Nomaden vermögen dem verstoßenen Kamel vorerst nicht wirklich zu helfen, haben sie doch genug mit eigenen Kindern zu tun und müssen sich zunehmend der traurigen Wahrheit stellen, daß ihre Welt im Vergehen begriffen ist. Traditionen bestehen nicht gegen die vom Fortschritt ausgehende Faszination. Viele Jurten zieren bereits Satellitenschüsseln, und weil er die ewig gleichen Geschichten des Großvaters satt hat, quengelt der kleine Ugna seit Neuestem nach einem Fernseher, den man sich indes weder leisten möchte noch kann - schließlich kostet solcher Luxus mindestens zwanzig Schafe.

Botok geht es derweil stetig schlechter. Um das zum Tode verurteilte Junge zu retten, besinnt sich der Älteste endlich auf ein überliefertes Ritual: Musik soll die Natur versöhnen, das Muttertier beruhigen und zur Akzeptanz seines Nachwuchses bewegen ...

Grundsätzlich realistischer und respektvoller Blick auf den entbehrungsreichen Alltag der Nomaden und sensibel erzählter Zusammenprall zweier Kulturen, verfügt die angenehm unspektakuläre Geschichte gerade ob ihrer Natürlichkeit jedoch über die mystische Qualität eines guten Märchens, ohne zu vergessen, worum es auf emotionaler Ebene letztlich geht: die allgegenwärtige Suche nach Zusammengehörigkeit, schützender Nähe und Liebe nämlich.

Daß dieses detailliert beobachtende, dokumentarische Drama nach Fabel-Manier dafür zwar zwei animalische Protagonisten erwählt, aber niemals in Streichelzoo-Niedlichkeit verfällt, läßt sogar dem abgebrühtesten Zuschauer am Ende gemeinsam mit Ingen Temee Tränen in die Augen steigen - selbst wenn Ihnen schon manches Trampeltier das Herz ramponiert oder gar gebrochen hat, lassen Sie es Botok noch einmal tun. So schön passiert es niemals wieder.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...