Originaltitel: KRIGEN

DK 2015, 115 min
FSK 12
Verleih: StudioCanal

Genre: Drama, Kriegsfilm, Tragödie

Darsteller: Pilou Asbæk, Tuva Novotny, Dar Salim, Søren Malling, Charlotte Munck

Stab:
Regie: Tobias Lindholm
Drehbuch: Tobias Lindholm

Kinostart: 14.04.16

Noch keine Bewertung

A War

Wenn Stille bis ins Mark fährt – Intensität auf Leinwand gebannt

Zumindest aus cineastischer Sicht führt einfach kein Weg an Dänemark vorbei: Mit dem Manifest „Dogma 95“ haben vier dänische Regisseure mal eben die Filmwelt revolutioniert, ständig wirft das dortige Kino moralische Fragen auf, ohne dabei auch nur den Hauch moralinsauer zu erzählen, die inszenatorische Schmucklosigkeit fungiert als wirksames und nachhaltig prägendes Stilmittel, Mimen wie Paprika Steen brauchen ebenso keinerlei künstlichen Glanz oder aufgesetzten Glamour, um aus sich heraus zu leuchten. Und nicht zuletzt umgeht selbst das krasseste dänische Drama jede künstlerische Trockenheit, immer zieht ein regelrechter Sog den Zuschauer mitten ins Geschehen. Die Dänen können es schlicht und ergreifend, wobei „es“ fürs Drehen echter Meisterwerke steht. Und ohne Zweifel – A WAR zählt dazu. Ein Kriegsfilm, der keiner ist. Ein Thriller, der sich zur Tragödie wandelt. Eine Verhandlung von Abgründen, deren Beredsamkeit im Schweigen liegt.

Jedes Wort zum Inhalt scheint da zu viel, aber trotzdem ganz kurz die Ausgangssituation: Kommandant Claus Michael Pedersen und seine Einheit sind fernab der Heimat in Afghanistan stationiert. Der Krieg zeigt eben seine grausame Fratze, ein Kamerad verliert durch Landminen erst beide Beine und dann das Leben, Unruhe, Wut und Trauer grassieren unter den Männern. Claus’ Frau Maria führt derweil ihr Leben in Dänemark, versorgt die drei gemeinsamen Kinder, kämpft mit den Ausbrüchen von Sohn Julien, welcher seinen Papa vermißt. Dann helfen die Soldaten einem kleinen Mädchen, schwer verletzt, und dessen Familie. Was schon bald Ereignisse in Gang setzt, die Claus vor Entscheidungen stellen, deren Konsequenzen furchtbar sind.

All das bettet Regisseur und Autor Tobias Lindholm in Bilder trügerischer Normalität, wenn beispielsweise einige Buben im afghanischen Kriegsgebiet einen improvisierten Drachen steigen lassen, oder per Telefon ein kindlicher Witz für Heiterkeit sorgt. Doch unter dieser dünnen Decke lauert stets der Schrecken, und er bricht so unvermittelt wie brutal hervor. Erst in Form zynischer Sprüche angesichts eines exekutierten Taliban, später blutig und schlicht grauenhaft. Es wird an Claus sein, indirekt und ungewollt die Menschlichkeit einzubüßen, während er versucht, selbige zu bewahren und seine Einheit zu retten. Oder war Claus’ Handeln schlicht nötig, eines Anführers angemessen, hat es mit Humanität oder ihrem Fehlen gar nichts zu tun? Lindholm läßt solche Fragen offen, er blendet in einem Schlüsselmoment, der Erklärungen liefern könnte und müßte, einfach ab. Man stelle sich selbst vor, was die Frau Richterin jetzt sagt.

Lindholm gelingt es zudem, wuchtig und klaren Pinselstrichs das Bild zweier unterschiedlich gepolter und dennoch gemeinsam agierender Charaktere zu zeichnen: Während Maria ihre anfängliche Passivität aufgibt, nicht bloß verbale Aktivität entwickelt, mehrfach an schmalen Grenzen schlittert, verfällt Claus zunehmend in Schweigen. Was soll man auch sagen, wenn die eigene Tochter fragt: „Stimmt es, daß Du Kinder getötet hast?“ Das letztlich fatal gelöste Dilemma fand keinen Abschluß im fernen Afghanistan, es frißt und reißt und zerrt an der wieder mühsam zusammengezimmerten Normalität, die ihren Trug nach Hause mitbrachte. Erneut findet Lindholm eine starke finale Szene und spuckt das Publikum danach quasi aus – anschließende Diskussionen nicht bloß möglich, sondern zwingend notwendig.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...