D 2024, 114 min
FSK 6
Verleih: Leonine

Genre: Komödie, Satire

Darsteller: Jan Josef Liefers, Nadja Uhl, Friedrich von Thun, Meltem Kaptan, Elyas M’Barek

Regie: Simon Verhoeven

Kinostart: 31.10.24

1 Bewertung

Alter weißer Mann

Familie und andere Minenfelder

Familienfeier früher: Großtante Ilsetraut durchpflügt mittels Gabel die Bratensoße und will zum 7012. Mal drüber reden, was Schwippschwägerin Gitta im Vollsuff über Heinz-Georg gesagt hat, Minuten nach der Jahrtausendwende. Familienschlachtfeld heute: Noch vor dem Dessert laufen sich Feindbilder warm, linksgrünversiffte Gutmenschin und eben der berühmte alte weiße Mann gehen auf Kollisionskurs. So simpel funktioniert Schublade.

Kennen die Hellmichs aus eigenem (Er-)Leben. Vater Heinz bemüht sich zwar um Umsetzung korrekter „Wokeness“, weiß indes gar nicht richtig, wie es tun. Macht Heinz versuchsweise einen Scherz, welkt dessen Adressat im Inneren schier dahin. Der Perlenkette tragende Sohn, seine jedes Wort auf latenten Rassismus abklopfende jüngere Tochter (die ältere suchte längst das Weite) sind für ihn Wesen aus fremden Welten. Und Gattin Carla? Aus dem Sichtbarkeitskreis gerutscht, lange Ehe halt. Im Rahmen eines Dinners, zu dem neben Heinz’ Chefetage zum Beispiel die Paartherapeutin kommt, platzt dann selbstverständlich manche Bombe.

Ob die Komödie zur Debatte bereits stark verspätet den Anschluß verpaßte, könnte man verhandeln. Ist allerdings relativ egal, weil einige Zeitgeistgags frontal treffen, andere belehrend peinlich berühren und fast alle eigentlich verzichtbar sind. Sie wirken aufgepfropft, fügen der grundlegenden Handlung wenig hinzu. Immerhin zeigt eine hübsche Szene zwischen Enkelin und Opa als Basisproblem treffend das frontenverhärtete Verhalten beider Seiten, ein Sammelsurium beharrlich die Individualmeinung als Allheiligtum rausplärrender Humanautomaten ohne Willen zum Andenken der Kontraposition. Trotzdem verliert sie gegen den Moment, wenn die von Nadja Uhl ruhepolig dezent gemimte Carla nun nicht gleich Gefühlsschleusen öffnet, aber ihr Glücklich-unglücklich-Mißverhältnis teasert. Im Restfokus steht überladene Familienzusammenführung, während Heinz endlich Cojones wachsen.

Daß die die schließlich am Tisch gebratenen Friedefreudeeierkuchen reichlich dick und süß ausfallen, erstaunt den Genießer deutscher Kinosnacks kaum, er schätzt es vermutlich sogar, obwohl darin Elyas M’Bareks teilblondierter KI-Spezi „Just Alex“ ziemlich nervt. Doch sporadisch blitzt auch herrlich Unerwartetes auf, namentlich giftiger Humor: „Ich sehe aus wie ein fucking Nazi!“ – „Neeein, Du siehst aus wie Bryan Adams.“

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...

Alter weißer Mann ab heute im Kino in Leipzig