Originaltitel: UN BEAU MATIN

F/D 2022, 114 min
FSK 12
Verleih: Weltkino

Genre: Drama

Darsteller: Lea Seydoux, Pascal Greggory, Melvil Poupaud

Regie: Mia Hansen-Løve

Kinostart: 08.12.22

1 Bewertung

An einem schönen Morgen

Meisterlich flaniert

Manchmal geht man ja aus dem Kino mit diesem noch völlig unreflektierten Was-für-ein-schöner-Film-Gefühl. Und wenn man dann späterhin darüber nachdenkt, was eigentlich an diesem Film in einem dieses Gefühl ausgelöst hat, stellt man mitunter erstaunt fest, daß das gar nicht so leicht zu sagen ist. Mit Mia Hansen-Løves AN EINEM SCHÖNEN MORGEN hat man gute Chancen, diese Erfahrung mal wieder zu machen.

Die 35jährige Sandra lebt allein mit ihrer kleinen Tochter in Paris. Das Geld, das Sandra als Übersetzerin verdient, reicht für eine kleine freundliche Wohnung und läßt zudem genug Zeit, sich um ihren Vater Georg zu kümmern. Der ehemalige Philosophieprofessor leidet an einer neurodegenerativen Krankheit, die nicht nur das Augenlicht, sondern auch die Hirnfunktionen beeinträchtigt. Die Suche nach einem angemessenen Pflegeheim für den Vater, dazu der fordernde Alltag mit Kindererziehung und Arbeit, haben Sandra die eigenen Bedürfnisse ein wenig vergessen lassen. Was sich ändert, als sie eines Tages Clément, einem alten Freund, begegnet. Daß der verheiratet und Vater eines Kindes ist, steht der Liebe, die Sandra und Clément bald füreinander empfinden zwar nicht im Wege – kompliziert aber ihr ohnehin kompliziertes Leben noch einmal entscheidend.

Es ist, als hätte Hansen-Løve nach ihrem intellektuell und formal ambitionierten BERGMAN ISLAND Lust aufs erzählerische Flanieren gehabt: AN EINEM SCHÖNEN MORGEN kommt mit einer so ruhigen, zurückhaltenden Alltäglichkeit daher, einer so geerdeten lebensnahen Nachdenklichkeit, daß man dabei schnell übersehen könnte, wie klug der Film inszeniert ist und was ihn im Kern umtreibt. Nichts weniger als die Fragen nämlich, wie man seinen Platz im Leben findet. Oder seine Würde bewahrt, wenn Alter und Krankheit einem diese zu nehmen drohen. Wie man das hinbekommt, sich um Andere zu kümmern, ohne sich selbst verlorenzugehen. Und ab welchem Moment die Liebe und die Lust, die doch gerade noch alles leichter machten, plötzlich das Gegenteil bewirken.

Wahrscheinlich ist AN EINEM SCHÖNEN MORGEN vor allem deshalb ein schöner Film geworden, weil er diese Fragen gänzlich undramatisch umkreist. Weil er so „uninszeniert“, ja, so natürlich daherkommt. Wie ein schöner Morgen eben.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.